Süddeutsche Zeitung

Bergsteigen:Auf  den Everest

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Mythos und Umwelt des Berges werden dargestellt, um ihn als Beispiel für die Veränderlichkeit des Planeten zu nutzen. So werden neben geologischen Vorgängen auch die Folgen des Alpinismus deutlich.

Von Dominik Prantl

Wer sich als Autor dem Mount Everest widmet, begibt sich in eine Versuchung. Es ist die Versuchung, über das, was an dem höchsten Berg der Erde passiert, unbedingt urteilen zu wollen. Das Aufsteigen in lebensbedrohlich dünner Luft? Verantwortungslos! Die Kommerzialisierung des Berges? Furchtbar! Der ganze Müll, der an den Flanken liegen bleibt? Inakzeptabel!

Sangma Francis widersteht, adjutiert von der Illustratorin Lisk Fenk, in ihrem Buch "Everest" dieser Versuchung. Ihr geht es erst einmal um ganz andere Dinge. Denn sie stellt den Berg nicht einfach nur als gewaltige Erhöhung in der Landschaft dar, die es zu erklimmen gilt, mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Die alpinistischen Details sind auch nicht gerade ihre Stärke. Die liegt vielmehr darin, den Everest in einen sehr breiten Kontext einzuordnen, ihn als Beispiel für die Veränderlichkeit des Planeten zu nutzen - und als namhaften Aufhänger für die verschiedensten Phänomene, die sich mithilfe eines Berges erklären lassen.

So beginnt Francis ihre kurzweilige Reise zum Everest-Gipfel im Erdmittelalter: bei der Entstehung des Himalaja. Sie erklärt in leicht verständlicher Sprache geologische Vorgänge von der Plattentektonik bis zu Gesteinsformationen ebenso wie die Ausrüstungsgegenstände vom Atemgerät bis zum Eispickel. Mal bewegt sie sich leichten Schrittes vorbei an den Tieren und Pflanzen des Gebirges - schon mal vom Wollgleithörnchen gehört? -, um sich mithilfe von Mythen und Sagen weiter zur Besteigungsgeschichte zu hangeln. Bei vielen Fragen - etwa wie eigentlich ein Berg vermessen wird - folgt sie dabei dem Gummibärchenprinzip: Die Aufmachung mag an Kinder gerichtet sein. Der Inhalt ist aber durchaus auch etwas für Erwachsene.

Vor allem aber verzichtet die Autorin auf einen belehrenden Unterton. Wenn beispielsweise Abfallproblematik und Menschenschlangen auf den Hauptrouten beschrieben werden, geschieht das ohne erhobenen Zeigefinger. Dass Fauna und Flora im höchsten Gebirge durch das Abholzen der Wälder bedroht sind, wird einfach mal als Fakt genannt. Und das Urteil darüber, ob es den Yeti wirklich gibt, bleibt der Gedankenwelt all jener mit ausreichend Fantasie überlassen.

Sangma Francis, Lisk Feng: Everest. NordSüd Verlag, Zürich 2019, 80 Seiten, 20 Euro.

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Quelle:
SZ vom 26.04.2019
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