Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Zwischen Musik und Visualität

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"You are in my wave" lotet in der Lothringer 13 unbekannte Grauzonen aus

Von Jürgen Moises, München

Wer als Klassik- oder Jazzmusiker erfolgreich sein will, kommt um ein Musikstudium kaum herum. Für eine Popkarriere scheint stattdessen eine Kunstausbildung lohnenswerter, zumindest wenn man auf die lange Liste der Musiker blickt, die wie John Lennon, Ron Wood oder Brian Eno auf einer Kunstakademie studiert haben. Auf diese Liste gehören auch Sam Prekop, Gitarrist und Sänger der Postrock-Band The Sea And Cake aus Chicago, und der aus Texas stammende Devendra Banhart, der als wichtiger Vertreter der amerikanischen "Freak Folk"-Bewegung gilt. In ihrer Doppelrolle als Musik- und Bildkünstler sind beide aktuell in der sehens- und hörenswerten, von Jörg Koopmann und Lene Harbo Pedersen kuratierten Gruppenausstellung "You are in my wave" in der Lothringer 13 vertreten, die sich den Grauzonen zwischen Musik und Visualität widmet.

Von Devendra Banharts sind rund 20 Bleistift-, Buntstift- oder Tuschezeichnungen ausgestellt, darunter etwa "Ape In Pink Marble # 2": Eine Variante des Covers seines letzten gleichnamigen Albums. Man sieht darauf eine seltsame, teufelartige Figur mit Pfeilnase und Zipfelmütze, die unter einer Art Grinsegesicht schwebt. Ähnliche Fantasiewesen gibt es auf weiteren Zeichnungen, andere sind motivisch fast abstrakt, erinnern an Landschaften oder sind von der Kunst der Maya inspiriert. Insgesamt wirken Banharts Zeichnungen tatsächlich ähnlich spielerisch, schräg und zurückhaltend gestaltet wie viele seiner Lieder.

Eine gewisse Kongruenz könnte man auch zwischen der Musik und den Fotografien Sam Prekops sehen. Das heißt zwischen den mathematisch präzisen, vielschichtig texturierten Songs von The Sea And Cake und den nüchternen, meist menschenleeren Großstadtszenerien, die teilweise an William Eggleston erinnern. Wer Prekops Musik nicht kennt: Am 11. Mai tritt er zusammen mit seinem Bandkollegen John McEntire im Einstein Kultur (Einsteinstr. 42) auf. Außerdem stammt von ihm der Soundtrack zum in der Ausstellung gezeigten Video "The Republic" von David Hartt. "The Republic" besteht aus Schwarz-weiß-Impressionen aus Detroit und Athen. Eine erkennbare Handlung gibt es nicht, eher wirkt hier die Musik als roter Faden.

Jesper Just hat seinen Kurzfilm "Sirens Of Chrome" ebenfalls in Detroit gedreht. Darin cruisen vier afroamerikanische Frauen durch die Stadt, landen in einem zum Parkhaus umfunktionierten Theater, wo eine weitere Frau lautstark über ihr Auto turnt. Wieso? Das bleibt ein Rätsel des Films, in dem ebenfalls die Musik als entscheidender Motor funktioniert. Als Mittel der Selbstbehauptung lässt sich der aus dem Jahr 1968 stammende Protestsong "Magical World" von Rotary Connection in Johanna Billings gleichnamigem Video lesen. Gesungen wird er hier von Kindern aus Zagreb, einer Stadt, in der es wie in Detroit und Athen seit Jahren heftig kriselt.

Eher am musikalischen Instrumentarium und Material zeigen sich Alexander Laner und Jeroen Diepenmaat interessiert. Laner hat aus Transistorradios ein Theremin gebastelt und aus Sperrholz ein sogar spielbares Klavier. Diepenmaat präsentiert ein Piano-Imitat aus Musikkassettenbändern und mehrere Barren aus Vinyl als "Schwarzes Gold". Mit "Dust" hat der Niederländer außerdem eine Kollektion von Staubfusseln beigesteuert, die nach dem Anhören namentlich genannter Alben von Interpreten wie Portishead, Aphex Twin oder Arvo Pärt an seiner Plattenspielernadel hingen. Ob hier die Musik ebenfalls die Form geprägt hat, also den jeweiligen Fussel? Dem sollte man vielleicht mal nachgehen.

You are in my wave, bis 28. Mai, Lothringer 13, Lothringerstr. 13

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Quelle:
SZ vom 18.04.2017
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