Süddeutsche Zeitung

"Aerosmith"-Schlagzeuger:Er will doch nur spielen

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Aber "Aerosmith" lassen ihn einfach nicht mehr. Nun klagt Schlagzeuger Joey Kramer gegen seine eigene Band. Man möchte ihn umarmen.

Von Gerhard Matzig

In den titanischen Schlachten, in denen aus kleinen Jungs große Männer und aus großen Männern noch größere Rocklegenden und aus noch größeren Rocklegenden am Ende wieder kleine Jungs gemacht werden, hat sich Joseph Michael Kramer seinen Kampfnamen "Joey" redlich verdient. Seinen Geburtsort, die Bronx in New York, hat der 69-jährige Drummer, der seit 1970 für Aerosmith ohne jeden Hang zur Rente ab 63 trommelt, überlebt.

Genau wie seinen Ferrari, der 1998 an einer Tankstelle in Massachusetts in Flammen aufging. Und Joey kommt wieder mit dem Schrecken davon. Wie er auch die Drogenexzesse, die Sexexzesse, die Prügelexzesse und sogar die Aerosmith-Rockballade "I Don't Want to Miss a Thing" überlebt hat. In dem Song heißt es, und das ist keine Drohung, sondern eine Gewissheit: "Ich möchte für immer bei dir bleiben" - "forever and ever". Um zu begreifen, welchen Höllen Joey schon entkommen ist, sei noch erwähnt, dass die Abschiedstournee von Aerosmith vor drei Jahren "The Aero-Vederci Baby!-Tour" hieß. Um die Welt zu prüfen, hat ihr Gott das Business der lebenden Rocklegenden geschickt.

Und nun gibt es auch noch Stress mit der Band, die unbedingt will, dass ihr rüstiger Trommler mit dem lustigen Ziegenbärtchen und der fast noch lustigeren Totenkopfkette, wenn er sonst schon nichts verpassen will, auf jeden Fall die Grammy-Gala am Sonntag verpasst. Da treten Aerosmith auf, deren Name sich der Mann am Schlagzeug ausgedacht hat. Mit Steven Tyler, Joe Perry, Bradley Whitford und Tom Hamilton. Und ohne Joey Kramer.

Denn der sei der Band zufolge seit Monaten "emotional und physisch" nicht in der Lage, Schlagzeug zu spielen. Deshalb habe man ihn ja auch aufgefordert, in einem Vorspiel die nötige Fitness am Hi-Hat unter Beweis zu stellen. Ist das nicht herrlich? Seit 1970 dabei und jetzt soll er erst mal vorspielen. Joey spielte aber tatsächlich vor, doch die Band sagt: Nö. Beziehungsweise dass es dem Getrommel an "Energie" fehle. Dagegen erhob der Trommler energisch Klage, denn die Sache mit der Energie sei ein "undefinierter Standard", er sei in Wahrheit topfit und der Ersatztrommler sei gar ein Würstchen. Bitte, lasst mich mitspielen, ich gehöre doch dazu.

Das Kammergericht lehnte die Klage ab. Joey, vom Status Großlegende auf kleiner Junge reduziert, muss vorerst draußen bleiben. Übrigens sagt er, es gehe nicht ums Geld. Aber "mir wird die Gelegenheit genommen, mit meinen Kameraden gewürdigt zu werden, für unsere kollektiven, lebenslangen Beiträge zur Musikindustrie". Was für eine Hölle, man möchte ihn in den Arm nehmen.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2020
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