Süddeutsche Zeitung

Twitter:Elon Musk ist so frei

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Was wird sich auf Twitter ändern, wenn Elon Musk die Social-Media-Plattform kauft?

"Ein Supertroll" und "Sturmwarnung" beide vom 27. April:

Alarmstimmung

Kaum wurde angekündigt, dass Elon Musk Twitter kaufen möchte, erlitt der gesamte deutsche Haltungsjournalismus einen kollektiven Nervenzusammenbruch. Ist es wirklich ein Einbruch in das sicher geglaubte publizistische Hinterland? Tatsache ist, das die Gralshüter der politischen Korrektheit Musk als Gegner ausgemacht haben. Freiheit - und erst recht Meinungsfreiheit werden von ihnen nicht wirklich geschätzt.

Oliver Stumpf, Wolfsburg

Abschlaffen bei Fischli und Bier

Zur Desinformation durch das Internet gehören immer zwei: einer, der desinformiert, und einer, der sich desinformieren lässt. Anstatt Twitter und Facebook zu kritisieren, hinterfragen Sie bitte, warum Teile unsere Bevölkerung dermaßen deppert auf Lügen und Vereinfachungen hereinfallen, anstatt sich dagegen zu wappnen. Dafür stellt unserer Demokratie als vierte Gewalt eine umfangreiche öffentliche Medienlandschaft bereit. Diese kritisch zu sichten, ist allerdings mit Arbeit verbunden, und da - neben der fehlenden Einsicht in die Notwendigkeit von Medienkompetenz - liegt das Problem: Wer ist bereit, nach dem Abendessen eine Stunde lang eine seriöse Tageszeitung zu studieren, anstatt vor der Glotze bei Fischli und Bier abzuhängen?

Klaus Werner , Erlangen

Definitionsfrage

In den Artikeln ist von der "Wiederherstellung der Meinungsfreiheit" die Rede. Ein gravierender Übersetzungsfehler. Musk geht es nicht darum, die Meinungsfreiheit wiederherzustellen, sondern die "freedom of speech", wörtlich also die Redefreiheit. Zwischen den beiden Begriffen besteht ein erheblicher Unterschied. Während die Redefreiheit das Recht beschreibt, Informationen, Ideen und Meinungen frei von staatlichen Einschränkungen zu äußern, umfasst die im Grundgesetz geregelte Meinungsäußerungsfreiheit das Recht, die eigene Meinung in Wort, Schrift und Bild sowie allen weiteren verfügbaren Übertragungsmitteln frei zu äußern.

Unwahre Tatsachenbehauptungen sind dabei weder vom Grundgesetz noch von der Meinungsfreiheit geschützt, ganz im Gegensatz zu den USA, wo die Redefreiheit als erster Zusatz zur amerikanischen Verfassung, zur Bill of Rights, gehören. Dass Musk nun unwahre Tatsachenbehauptungen zulassen will, passt zu seinem Charakter. Mit Redefreiheit verteidigte er sich in einem, von ihm gewonnenen, Verleumdungsprozess, nachdem er einen Kritiker als "Pädo-Typ" bezeichnet hatte - hierzulande durchaus eine Beleidigung.

Auch für die freie Meinungsäußerung seiner Mitarbeiter zeigt Musk wenig Toleranz. Tesla-Mitarbeiter müssen nach ihrer Entlassung Trennungsvereinbarungen unterzeichnen, die eine strenge Nichtverleumdungsklausel enthalten. Dass Mitarbeiter rassistische, sexistische und andere Arten von Belästigung, Diskriminierung und unsichere Arbeitsbedingungen beklagt haben, ist weithin bekannt. Musks Eintreten für die Meinungsfreiheit dürfte sich auf seine eigene Rede oder die seiner Fans beziehen. An einem ernsthaften Verständnis der freien Meinungsäußerung und an einem Verständnis für die Moderation von Inhalten hat Musk kein Interesse.

Peter Thilo Hasler , München

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Quelle:
SZ vom 05.05.2022
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