Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Unter Putins Augen

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Georg Mascolo, Bastian Obermayer und Frederik Obermaier vom SZ-Investigativ-Ressort über ihr Treffen mit Edward Snowden.

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Es gibt viele Gründe, Russland zu besuchen, auch nach dem WM-Aus des deutschen Teams. Einer dieser Gründe ist: Der Whistleblower Edward Snowden lebt dort im Exil. Ausgerechnet die autoritäre russische Regierung gewährte ihm Asyl.

Als wir von Snowden die Interviewzusage bekommen, zucken wir trotzdem kurz zurück. Vor zwei Jahren schrieben wir, im Rahmen der Panama-Papers-Recherche, auch über etliche Oligarchen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin - und über Geldströme von rund zwei Milliarden US-Dollar, die durch Offshorefirmen seines besten Freundes liefen. Der wiederum war eigentlich Cellist und kein Geschäftsmann. Der Kreml sprach von einer westlichen "Informationsattacke", und Putin selbst suggerierte gar, die SZ gehöre Goldman Sachs. Eine Falschinformation, wie der Kreml kurz darauf richtigstellte. Kurzum: Viele Freunde haben wir da nicht.

Aber wer Snowden treffen möchte, muss nach Russland - übrigens auch, weil der Westen Whistleblower nur selten schützt. Also machen wir uns, gemeinsam mit unserem Kollegen Georg Mascolo - der Snowden schon einmal dort traf -, auf den Weg. Als Snowden im schwarzen Sakko das Hotelzimmer betritt, legt er schon auf dem Weg zum Sofa los, noch bevor wir die erste Frage gestellt haben. Er möchte über die Panama Papers sprechen. Erst nach fast einer halben Stunde kommen wir zu unseren Fragen, am Ende sitzen wir mehr als vier Stunden zusammen. Snowden - der vom Wohlwollen Russlands abhängig ist - spricht überraschend offen auch über die dunklen Seiten Russlands und die Korruption in Putins Regime. Als der Zimmerservice unangekündigt Kekse bringt, scherzt Snowden: "Das sind dann jetzt wohl die mit Polonium." Polonium, das ist das Gift, mit dem 2010 der Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko ermordet wurde.

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Quelle:
SZ vom 30.06.2018
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