Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Krise? Immer

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Nach dem Brexit wird in Brüssel wieder hektisch verhandelt. Nichts Neues für Daniel Brössler und seine Kollegen.

Von Daniel Brössler

Es stimmt natürlich nicht, dass jetzt alles anders ist. Auf den ersten Blick ist sogar alles ziemlich wie immer. In der riesigen Lobby des Justus-Lipsius-Gebäudes in Brüssel sind wieder einmal endlose Reihen mit Tischen aufgebaut worden. Platz für Hunderte Journalisten. Das wird bei jedem EU-Gipfel so gemacht, und zwar unabhängig davon, welche Krise den Kontinent gerade heimsucht. Und wie immer macht sich eine alte Fehlkonstruktion schmerzlich bemerkbar: Durch das Glasdach blendet die Sonne so erbarmungslos, dass auf den Laptopschirmen nichts mehr zu erkennen ist. Manche versuchen es verzweifelt mit Sonnenbrille.

EU-Gipfel gibt es auch, wenn keine Krise ist, nur ist das in den vergangenen Jahren nicht vorgekommen. Euro, Griechenland, Ukraine, Flüchtlinge - nun der Brexit. Der Ausgang des Referendums markiert - in den Worten der Kanzlerin - einen "Einschnitt, einen historischen Moment". Und natürlich würde man glauben, dass so ein historischer Moment zu spüren ist dort, wo alle europäischen Fäden zusammenlaufen: in Brüssel. Auf seltsame Weise war das nicht so beim Gipfel diese Woche. Es gab keine Panik und vergleichsweise wenig Hektik. Die Pressekonferenz von Angela Merkel: ausnahmsweise nicht in den frühen Morgenstunden.

Es dauerte ein Weilchen, aber dann dämmerte es, dass genau darin sich das Historische bemerkbar machte. Die Staats- und Regierungschefs hatten nicht wirklich viel zu besprechen. Sie müssen warten darauf, dass die Briten ihre Scheidungsunterlagen einreichen. "Schon peinlich, was da bei uns los ist", sagte ein britischer Kollege, "normalerweise mokieren wir uns ja über die anderen." Ratlosigkeit wird in Brüssel normalerweise mit Betriebsamkeit überspielt. Diesmal nicht. Ein historischer Moment eben.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2016
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