Süddeutsche Zeitung

SZ-Werkstatt:Ein Puzzle namens Cum-Ex

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Klaus Ott ist in 33 Jahren bei der SZ zum Spezialisten für Wirtschaftsverbrechen geworden. Hier beschreibt er, wie er recherchiert.

Von Klaus Ott

Uli Hoeneß? Den kennt fast jeder. Wenn so jemand Steuern in Millionenhöhe hinterzieht und ins Gefängnis muss, ist die Aufregung groß. Cum-Ex? Kennt fast niemand. Ist aber noch viel schlimmer. Um mehr als zehn Milliarden Euro haben Banken und Börsenhändler den Fiskus erleichtert, schätzen Steuerfahnder. So geschehen beim An- und Verkauf von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende. Auf komplizierte, trickreiche, selbst für erfahrene Ermittler kaum nachvollziehbare Art und Weise.

Wie aber sollen Journalisten das dann den Lesern erklären? Ganz einfach: viele Leute fragen, die vieles wissen. Aufsätze studieren, in denen Experten diese Aktiendeals beschreiben. Viele Tausend Seiten Ermittlungsakten besorgen. Und dann, wie bei einem Puzzle, das aus Tausenden Teilen besteht, Stück für Stück alles zusammensetzen. Mit dem Rand anfangen und sich dann nach innen vorarbeiten, zum Kern. Bis sich ein Bild ergibt, auch wenn das Jahre dauert. Fünf mittlerweile bei Cum-Ex.

Mühsam? Ja. Nervig? Nein. Sondern spannend. Über Affären zu berichten, ist oft eine Puzzle-Aufgabe. Und hat nichts zu tun mit einem rasenden Reporter, der atemlos den Ereignissen hinterherjagt; oder sich konspirativ zu dunkler Stunde an verborgenen Orten mit Informanten verabredet, die Sonnenbrille und Perücke tragen. Stattdessen Treffen im Café oder im Büro mit Leuten, die dem Reporter vertrauen. Die ihm aus unterschiedlichsten Motiven etwas erzählen; ihn etwas lesen lassen oder ihm sogar etwas mitgeben. Puzzleteile eben, die irgendwann zueinanderpassen. So wird auch Cum-Ex eine große Geschichte, die immer mehr Leser interessiert.

Viel Arbeit? Ja. Geregelter Acht-Stunden-Bürotag? Nein. Aber mit dem Gefühl, dass der Job eher Leidenschaft als Beruf ist, eher Lust als Last, lässt sich gut arbeiten und leben.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2017
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