Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Über den Relativsatz

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Hermann Unterstöger arbeitet heraus, wann Relativpronomen im Singular und wann im Plural zu stehen haben.

Von Hermann Unterstöger

UNTER EINEM URLAUBSFOTO war einmal als Bildtext zu lesen: "Teneriffa, viel schöner als befürchtet." Die Rezension eines Romans wurde nach dem gleichen Muster betitelt, nämlich so: "Besser als befürchtet". Nun gab es in unserer Leserschaft einigen Ärger über die Formulierung, dass die in München gemessene Luft "sauberer als befürchtet" sei. Tenor der Einsprüche: Was in der Grundform gut ist, davor muss man sich auch in der Steigerung nicht fürchten, weshalb es logisch gewesen wäre, "sauberer als vermutet, als gedacht, als erhofft" zu schreiben. Solche Sinnwidrigkeiten gehen auch bei vielen Lesern anstandslos durch, weil sie im Geist ergänzen, was dem Rotstift zum Opfer fiel: dass schlimmere Werte zu befürchten waren, die Messung aber bessere Ergebnisse zeitigte. Die meisten Leser reagierten übrigens lockerer als befürchtet, sprich: so souverän wie erwartet.

DER ALLTAG DES RELATIVSATZES vergeht unaufgeregt: Tim, der stürzte, brach sich den Knöchel. Spannung kommt in die Sache, wenn mehrere stürzen, sich aber nur drei den Knöchel brechen. Da wäre zu referieren: Tim war einer der wenigen, die sich den Knöchel brachen. Und was, wenn Tim der einzige mit Knöchelbruch ist? Sagt man dann: Tim war einer der wenigen, der sich den Knöchel brach? Quark! Grundsätzlich ist in dieser Frage Rdnr. 1209, Ziffer 1 b der Dudengrammatik (1984) heranzuziehen, die sagt: Wird ein einzelner aus einer Gesamtheit herausgehoben und schließt sich ein Relativsatz an das die Gesamtheit bezeichnende Wort an, steht das Pronomen dieses Relativsatzes nicht im Singular, sondern im Plural. Ob Leserin S. diese Randnummer im Kopf hat, bleibe dahingestellt, aber sie war unter allen die einzige, die gegen die Konstruktion "einer der wenigen Momente, in dem man das Gefühl hat" protestierte und "Momente, in denen" einforderte. Bei Twitter kann man da lässiger sein. Der dort auf einen Fußballer gemünzte Satz "Einer der wenigen, der kein tätowierter Hurensohn ist" blieb unkorrigiert.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2019
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