Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Klug, auch schlau

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Wie grenzt man diese beiden Worte gegeneinander ab? Das ermittelt Hermann Unterstöger.

Von Hermann Unterstöger

WENN EIN LESER schreibt, er sei "interessiert an Ihrer gewiss sehr klugen und nicht nur schlauen Antwort", so ist das, wie man bei der Mafia sagt, ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann. Herr G. formulierte kürzlich so und packte in diese Wendung auch gleich den Kern seines Anliegens: die semantische Abgrenzung von klug und schlau. Kluges etymologisches Wörterbuch bietet dazu wenig, sieht man davon ab, dass es unter dem Lemma klug auf das altirische Wort glicc verweist, das auch schlau bedeuten kann; eine Gleichheit der beiden Adjektive ist daraus nicht abzuleiten. Dass zwischen ihnen nicht immer so scharf unterschieden wird, wie das nötig wäre, belegt G. mit zwei Beispielen aus der SZ. Einmal war von einer künstlichen Intelligenz die Rede, "die potenziell schlauer ist als Menschen", ein andermal hieß es von dem "modernen, klugen Politiker" Westerwelle, er sei in Talkshows "frecher, schlagfertiger, schlauer" als andere gewesen. Im ersten Fall ist, so G., das Wort schlau verfehlt, weil nicht die darin mitschwingende Gerissenheit gemeint ist. Da vorher Intelligenzen angeführt wurden, die "dümmer sind als Menschen", wäre klug oder gescheit die passende Fortführung gewesen. Bei Westerwelle differenziert die Wortwahl angemessen: der generell kluge Politiker, der in Talkshow auch der listenreiche Fuchs sein konnte. Hoffentlich ist das die kluge und nicht nur schlaue Antwort, die Herr G. erwartet hat.

HINKENDE VERGLEICHE sind an sich schön, und noch schöner, wenn ihr Hinken das Hinken als solches betrifft. Leser M.s Fundstück handelt davon, dass in der Altersversorgung "das von der Politik erdachte zweite Standbein hinkt". Das ist insofern eine äußerst rare Konstellation, als erstens das Standbein stehen sollte und nicht gehen, also auch nicht hinken, und als zweitens das Standbein kein zweites neben sich leidet. Das andere ist das Spielbein. Hinken tut weder das eine noch das andere, sondern der Mensch beziehungsweise seine Altersversorgung.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2016
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