Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Horrende Preise und falsche Zitate

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Zu einem hohen Preis, für eine größere Summe oder wahlweise gegen ein Vermögen kann man etwas kaufen. Wenn's ums Geld geht, sind Ausdrucksweisen vielfältig, aber grammatikalisch oft falsch. Der Gipfel sind dann Zitate, die es so nie gab.

Von Hermann Unterstöger

BEI TRAGISCHEN GESCHICHTEN sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Trotzdem will bedacht sein, was Leserin H. in der Reportage über die verschwundene Maddie gefunden hat: drei Sätze auf engstem Raum, in denen es um die Frage des korrekten Pronomens geht. Hier eines der Beispiele. Die Rede ist von der Mutter, "die ihre Tochter nicht mehr gesehen hat, seit sie drei Jahre alt war". Völlig zu Recht sagt Frau H., dass es "seit diese drei Jahre alt war" heißen müsse, weil sich das Personalpronomen sie auf die Mutter bezieht. Genau daraus aber erwächst die Lizenz, auf das Demonstrativpronomen diese zu verzichten, weil kein Leser die Konstruktion mit sie so verstünde, als habe die Mutter im Alter von drei Jahren ihr Kind zum letzten Mal gesehen.

HORRENDE PREISE mag niemand, doch wenn sie schon sein müssen, stellt sich die Frage, ob etwas "für horrende" oder "zu horrenden" Preisen seinen Besitzer wechselt. Bei uns stand für , was Leser R. kritisiert, da für auf eine Gegenleistung hindeute, Preise aber keine Leistung seien. Es ergeben sich zwei Möglichkeiten: zu horrenden Preisen oder für/gegen horrendes Geld. Um die Dichtung zu Wort kommen zu lassen, so sagt in Gellerts "Kranker Frau" die Jungfer Henriette: "Herr Richard ist so gütig gewesen und hat mir versprochen, die neue Andrienne seiner Frau Liebste mir für Geld und gute Worte zu lassen." Frauenhandel? Nein, die Andrienne war ein Kleid, das mit sogenannten Watteaufalten bezauberte.

ZITATE SIND TABU, doch fragt sich, ob die Redaktion nicht bessernd eingreifen soll, wenn so ein Satz fällt: "Kein Problem ist zu klein, um sich Hilfe zu holen." Leser K. stieß sich daran, und in der Tat ist das Gebilde, wiewohl dem Sinn nach zu verstehen, von der Konstruktion her missglückt. Wie es dasteht, wäre es am Problem, sich ungeachtet seiner Winzigkeit Hilfe zu holen. Tatsächlich aber muss sich der Mensch Hilfe holen, und so wird ein Schuh draus: "Kein Problem ist zu klein, als dass man sich nicht Hilfe holen könnte."

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SZ vom 04.07.2020
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