Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Die Ballrückseite

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Brauchen oder gebrauchen? Fördern oder befördern? Und wenn der Ball rund ist, was ist seine Rückseite? Hermann Unterstöger hat wie immer die richtigen Antworten.

Von Hermann Unterstöger

VON DEN ZWEI VERBEN brauchen und gebrauchen weiß alle Welt, dass, wer brauchen ohne zu gebraucht, brauchen überhaupt nicht zu gebrauchen braucht. Wird schon die Lehre aus dieser leicht zungenbrecherischen Eselsbrücke oft missachtet, so hat sich darüber hinaus die Unart breitgemacht, brauchen ohne Not durch gebrauchen zu ersetzen. Wenn das Gefühl nicht trügt, hat die Marotte ihre Quelle in dem Willen, sich gewählt auszudrücken, dem Willen also, der auch fördern durch das ebenso preziöse wie in der Sache falsche befördern zu ersetzen sucht. Leser E. erklärt den Unterschied zwischen brauchen und gebrauchen mit dem schlichten Satz, dass man ein Werkzeug zunächst braucht und erst danach gebraucht. Im Licht dieses Beispiels ist unsere These, wonach die SPD Baden-Württemberg einen Neuanfang "zu gebrauchen" scheint, einigermaßen voreilig: Sie braucht ihn, dann sieht man weiter.

DER BALL IST RUND, aber was ist seine Rückseite? Leser Dr. P. fragte sich das bei diesem Satz: "Mit dem Rücken zum Spielfeld fliegt ein Ball im hohen Bogen von schräg hinten auf ihn zu." Auf ihn? Gemeint war der Fußballstar Paul Pogba von Manchester United, der den Ball elegant abfing. Man muss den Autor des Textes aber in Schutz nehmen, da er ersichtlich Opfer einer Kürzung wurde. Im Original lautete der Satz so: "Er" - nämlich Pogba - "sitzt mit dem Rücken zum Spielfeld, und ein Ball fliegt im hohen Bogen von schräg hinten auf ihn zu." Es gilt also auch fürs Redigieren Andi Brehmes goldene Regel: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß."

AUCH BEI STATISTIKEN kommt es, jenseits der Zahlen, auf jedes Wort an. Unser Leser B. wunderte sich über folgende (auf die AfD bezogene) Wortwahl: "16,3 Prozent ihrer Wähler waren männlich, aber nur 9,1 Prozent weiblich." Bei einer Wählergesamtmenge von 100 Prozent bleiben 74,6 Prozent, die nach aktuellem Genderstand wohl unter divers einzuordnen wären.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2019
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