Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Brackern und brettern

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Die Synonyme für das Rasen beschäftigen die Leser, obgleich viele ja davon abkommen wollen - angeblich soll es so sein. An diesem Ausdruck wiederum stört sich ebenfalls ein Leser, weil dieser ja doppelt Zweifel durchblicken lasse. Pleonasmus heißt das.

Von Hermann Unterstöger

GEGEN PLEONASMEN zu Feld zu ziehen ist wahrscheinlich fruchtlos. Trotzdem soll man es immer wieder tun. Heute also der Pleonasmus angeblich soll , Leser R. zufolge die "Unsitte, nur durch Gerüchte Erfahrenes doppelt zu phrasieren". Das Archiv quillt über von Sätzen, die dieser Unsitte verfallen sind. Sie gehen deshalb locker durch, weil angeblich soll im Reich der Pleonasmen weniger ins Auge sticht als die runde Kugel oder die Zukunftsprognose. Klaus Mackowiak führt in seinem Stilfehler-Buch vergleichbar redundante, die Modalität der Aussage wiederholende Paarungen an, und wenn wir uns eine davon parodistisch ausleihen dürfen, konstatieren wir: Es müsste doch möglich sein, auf Dopplungen wie angeblich soll verzichten zu können.

DEUTSCH ist nicht seine Muttersprache, aber als unser Leser D. es lernte, erklärte man ihm den Unterschied zwischen Verkündigung und Verkündung so nachhaltig, dass er bis heute leidet, wenn er, wie bei uns geschehen, die zwei Wörter fast gleichwertig verwendet sieht. Man kann den Unterschied zwischen ihnen so zusammenfassen, dass die Verkündung der amtlichen und die Verkündigung der religiösen Sphäre vorbehalten ist. Wie fast überall gibt es auch hier ein Grenzgebiet, in dem sich eins mit dem anderen mischt, etwa beim "Verkündigungsblatt der Gemeinde Kappel-Grafenhausen", das zwar Kirchentermine meldet, sich ansonsten aber von Überirdischem fernhält.

ES HAT SICH EINGEBÜRGERT, dass die Leser, von denen diese Kolumne lebt, mit dem Initial genannt werden. Nun ist von der Regel aus einem weiß Gott buchenswerten Grund abzuweichen: Der Leser, der von brackern, einem im Norden gebräuchlichen Wort für rasen, irritiert ist, heißt Bracker: Dr. Ulrich Bracker. Das Verb stört ihn umso mehr, als er selbst sich schon oft für eine allgemeine Tempobegrenzung ausgesprochen hat. Unser Mitgefühl gilt ihm und darüber hinaus allen Menschen namens Bretter, mit Ausnahme derer, die ihrerseits gern brettern.

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SZ vom 18.07.2020
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