Süddeutsche Zeitung

Sozialwohnungen:Vermieter gesucht

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Viele Menschen haben Anspruch auf eine Sozialwohnung, kriegen aber keine. Weil die Not groß ist, lassen sich manche Städte etwas einfallen: Sie zahlen Vermietern Zuschüsse - eine gute Idee?

Von Joachim Göres

Menschen, die wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, haben schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Das gilt auch für viele Alleinerziehende, Geflüchtete, Wohnungslose und Personen mit einem geringen Einkommen. Ihr Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hilft ihnen meistens nicht weiter. Manche Vermieter wollen solche Wohnungssuchenden nicht im Regen stehen lassen - doch wenn sie schlechte Erfahrungen machen, fühlen sie sich ausgenutzt. So wie ein Vermieter aus der Nähe von Hannover. "Ich hatte zuletzt eine junge Familie mit einer süßen Tochter als Mieter. Als sie ihr zweites Kind bekamen, das immer schrie, hat der Vater verstärkt zu Drogen gegriffen. Dafür hat er das Geld genommen, das er vom Amt für die Miete überwiesen bekam, und ich habe keinen Cent mehr gesehen."

Solche und ähnliche Geschichten hat Dunja Lüke schon häufig gehört. Sie kennt die Angst von Vermietern vor Mietausfällen oder davor, auf Schäden sitzenzubleiben, wenn sie an arme Menschen vermieten. Genau um die kümmert sich Lüke: Sie arbeitet beim Team Wohnen der Region Hannover, zu der neben der niedersächsischen Landeshauptstadt die umliegenden Gemeinden gehören. Etwa 40 Prozent der hier lebenden Einwohner haben laut Lüke einen Anspruch auf eine Sozialwohnung, von denen es viel zu wenige gibt - bis 2025 wird in der Region Hannover von 13 000 fehlenden Sozialwohnungen ausgegangen.

Lüke ist deswegen auf der Suche nach privaten Vermietern, die an sie das Belegungsrecht an ihren Mietwohnungen abtreten und dafür finanziell unterstützt werden. Mit der Verwaltung dieser Rechte wird die Stadt oder Gemeinde beauftragt, in der sich die Wohnung befindet. Sie schlägt dem Vermieter Kandidaten mit einem Wohnberechtigungsschein vor. Seit 2017 gibt es in der Region Hannover so ein Programm zur Schaffung von sozialem Wohnraum. "Das kam nicht gut an, deswegen haben wir seit September die Förderung verstärkt", sagt Lüke.

Vermieter können bis zu 10 000 Euro für Instandsetzungsmaßnahmen beantragen

Wer das Belegungsrecht für seine Mietwohnung für mindestens fünf Jahre auf die Region Hannover überträgt, bekommt pro Quadratmeter jetzt einen monatlichen Zuschuss von zwei Euro, ab zehn Jahre erhöht sich der Betrag auf 2,50 Euro. Für Instandsetzungsmaßnahmen vor dem Einzug können Vermieter bis zu 10 000 Euro beantragen. Ebenso hoch ist die Summe, die gezahlt wird, wenn Schäden durch Mieter mit Wohnberechtigungsschein entstehen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren übernimmt die Region Hannover eine Mietausfallgarantie. Sollte bei einem Mieterwechsel die Wohnung zwischendurch leer stehen, wird für bis zu drei Monate die Miete überwiesen. Neu ist die soziale Betreuung durch einen Ansprechpartner bei der Region Hannover, wenn es zu Problemen zwischen Vermieter und Mieter kommen sollte. Mit diesen verbesserten Leistungen - jährlich stehen 3,1 Millionen Euro zur Verfügung, eine Verdreifachung der bisherigen Summe - sollen im Jahr 80 Wohnungen neu hinzukommen. "Bisher hatten wir für 28 Wohnungen die Belegrechte, diese Zahl hat sich seit September mehr als verdoppelt", sagt Lüke.

Der Eigentümer muss nicht jeden Mieter akzeptieren

Der Wohnungseigentümer muss bei diesem Verfahren nicht jeden Mieter akzeptieren - er kann unter drei ihm vorgeschlagenen Mietparteien eine auswählen. Bei der Miethöhe muss er sich am Mietspiegel orientieren. Vor allem Privatvermieter melden sich bei Lüke. "Es gibt auch einige interessierte Wohnungsgesellschaften. Bei ihnen achten wir darauf, dass es eine soziale Durchmischung bei den Mietern gibt", betont Lüke.

Vorbild für das Modell in Hannover ist das Projekt "Wohnraumakquise durch Kooperation", das seit 2005 in Karlsruhe besteht. Derzeit haben etwa 850 private Vermieter der Stadt Karlsruhe ein Belegungsrecht über zehn Jahre eingeräumt. Dafür übernimmt die Stadt Kosten für die Sanierung der Mietwohnung von bis zu 6000 Euro und sichert sechs Jahre lang eine Mietausfallgarantie zu. "Neben der Einmalzahlung und der sicheren Miete spielt für die Vermieter unsere sozialpädagogische Begleitung der Mieter eine große Rolle", sagt Steffen Schäfer, Fachbereichsleiter Wohnraumakquise. Einen Mietzuschuss gibt es nicht. Die Kaltmiete darf bei einer Einzelperson maximal 8,56 Euro pro Quadratmeter betragen, bei einer Wohnungsgröße von höchstens 45 Quadratmetern.

"Es gab noch nie eine Kündigungs- oder Räumungsklage."

"Wir vermitteln vor allem Menschen, die wohnungslos sind oder denen Wohnungslosigkeit droht. Die Vermieter sind sehr zufrieden, es gab noch nie eine Kündigungs- oder Räumungsklage", sagt Schäfer. In Karlsruhe leben etwa 600 Menschen in städtischen Obdachlosenunterkünften. Schäfer: "Durch unsere Initiative Wohnraumakquise können wir die Zahl stabil halten. Andere Städte registrieren immer mehr Wohnungslose."

Für den Deutschen Mieterbund ist dieses Modell nicht die Lösung. "Es ist im Einzelfall eine gute Sache, weil es Menschen hilft", sagt Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin des DMB-Landesverbandes Bayern, und ergänzt: "Den meisten Wohnungssuchenden hilft nur mehr sozialer Wohnungsbau, und dafür müssen die Kommunen mehr Grundstücke zur Verfügung stellen."

Der Vermieter aus der Region Hannover hat sein Belegungsrecht bislang noch nicht abgetreten. Auch wenn es insgesamt genügend Bewerber gebe, will er beim nächsten Wechsel wieder Kontakt mit Frau Lüke aufnehmen, um seine Wohnung Menschen mit geringen Chancen auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen: "Mit der Förderung wird ein Teil meines Risikos abgedeckt. Ich spare mir die eigene Suche und brauche mich um nichts zu kümmern."

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