Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor:Bis aus Spanien

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Woher Biker, Kamele und Glockenklänge kommen, wie fehlerfreies Gedenken geht, und warum "rundförmig" rundheraus abzulehnen ist.

Von Hermann Unterstöger

HARALD WEINRICH weist den "leitenden Begriffen" seiner Textgrammatik semantische Merkmale zu. Die Präposition bis hat das Merkmal ENDE und bezeichnet kraft dessen "den Endpunkt einer Richtung". Damit wäre, wie man so sagt, der Käse gebissen, und unser Leser M. hätte recht mit seiner Kritik an der Formulierung, wonach Biker "bis aus Spanien, Italien, England oder Polen angereist" seien. Man könne, sagt er, bis nach Spanien reisen, aber nicht bis aus, weil bis vom Sprecher wegweise, aus hingegen auf diesen zu. Die Fachleute halten sich in dieser Frage bedeckt, auch Weinrich begnügt sich mit Kombinationen wie bis auf oder bis nach. Nun gibt es aber seit eh und je Fälle mit bis aus, das reicht von den Kamelen, die "bis aus Thracien" zusammengetrieben wurden (Carl A. Schweigerd, Oesterreichs Helden und Heerführer), bis hin zu den Glockenklängen, die Eichendorffs "Taugenichts" an einem Sonntag "bis aus der weitesten Ferne" erreichen. Die "sachkundige Erklärung", die Herr M. gern hätte, kann hier nicht geliefert werden, aber wenn Vermutungen erlaubt sind, so könnte das bis in bis aus jenen Endpunkt bezeichnen, den die Biker, Kamele und Glockenklänge erst erreicht haben mussten, ehe sie von dort herkamen.

TRAUER trägt Frau R., seit sie las, dass Erzbischof Reinhard Marx "dem verstorbenen Benedikt XVI." gedachte. Ihrem Gefühl nach wurde hier "der Genitiv als Angehöriger des Verbs gedenken wieder einmal beerdigt", wes sie mutmaßlich unter Tränen gedenkt. Wieso der Dativ? Könnte es sein, dass man nicht genau weiß, ob es "des verstorbenen Benedikt" oder "des verstorbenen Benedikts" heißen muss? Benedikt bleibt in dem Fall ungebeugt, der Genitiv in den "Leiden des jungen Werthers" gilt als veraltet.

"RUNDFÖRMIGER" BAU? Leser Dr. H. stößt sich an dem Adjektiv, und tatsächlich ging es um ein bogenförmiges Bauwerk. In alten Büchern trifft man öfter auf rundförmig, aber da das Wort auch von NS-Rasseforschern verwendet wurde ("... die meisten rundförmig gebauten Köpfe weist das Weinviertel auf"), sollten Bauten, und nicht nur sie, davon verschont bleiben.

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