Süddeutsche Zeitung

Hohenzollern:Aus der Zeit gefallen

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Leser zeigen wenig Verständnis für Forderungen der Hohenzollern nach Entschädigung für Enteignung. Die Rolle des Adelsgeschlechts in beiden Weltkriegen stößt auf.

Zu " In die Fresse" vom 26./27. September sowie zu " Prinzenrolle", 12. September:

Seit geraumer Zeit bemüht sich Georg Friedrich Prinz von Preußen durchzusetzen, dass die Hohenzollerndynastie für Enteignungen entschädigt wird. Wenn ich Berichte dazu lese, stellt sich bei mir ein Gefühl ein, das zwischen Amüsement, Staunen und Verständnislosigkeit schwankt. Der Anspruch auf Entschädigung, also eine Klage auf Rückgabe von Tausenden Kunstwerken und ein Wohnrecht im Schloss Cecilienhof scheint mir dermaßen aus der Zeit gefallen, dass ein solcher Vorgang keine juristische Basis haben sollte. Aber der Vorgang beschäftigt Juristen und Politiker, Sachverständige und Museumskustoden. Das ist absurd.

Eine Kernfrage hat sich herauskristallisiert: Die Sachverständigen begutachten, ob und in welchem Maße der Urgroßvater des heutigen Dynastievertreters als Steigbügelhalter des Nationalsozialismus fungierte. Wie nicht anders zu erwarten, sind die mittlerweile drei Gutachter unterschiedlicher Meinung. Die Förderung und Beihilfe zur "Machtergreifung" ist strittig. Ungeachtet dessen ist die Mehrheit der Fachhistoriker der Meinung, "dass die Hohenzollern den Aufstieg zur Hitlerdiktatur erheblich gefördert haben. Es gibt keinen Historikerstreit", wie die FAZ schrieb. Offensichtlich spielt der teilweise verbrecherische Verlauf (zum Beispiel der Gaskrieg oder der Auslauf der Marine in eine letzte aussichtslose Schlacht gegen England) und der Ausgang des Ersten Weltkrieges unter Verantwortung eines Hohenzollern-Kaisers bei einigen Gutachten keine Rolle. Offensichtlich spielt die Tatsache, dass die Entstehung monarchischen Besitzes durch eine ungerechte Aneignung der von der Gesellschaft produzierten Werte entstanden ist, keine Rolle.

Es liegt auf der Hand, dass sich die Hohenzollern mit dem Verkauf von rückerstatteten Kulturgütern einen mindestens großbürgerlichen Lebensstandard verschaffen wollen. Der sich schon lange hinziehende Vorgang zeigt, dass Deutschland eine Rechtsordnung hat, die heutigen Anforderungen nicht genügt. Diese bürgerliche Demokratie hat nicht den Mumm, den Willen und die notwendigen juristischen Mittel, um dem Spuk entgegenzutreten, nämlich eine Diskussion über dieses feudalistische Ansinnen gar nicht erst zuzulassen. Ich hoffe trotzdem auf eine juristische Klärung, welche die barocken Forderungen des Altfeudalen in die Schranken weist.

Ulrich Dryander, Weimar

Wohl aus politischen Erwägungen hat die Regierung der ersten deutschen Republik die Hohenzollern vor der restlosen Enteignung bewahrt und hat damit in letzter Konsequenz die Rechtsverhältnisse verursacht, mit denen sich heute die brandenburgische Landesregierung herumschlägt. Wenn mit den Hohenzollern verhandelt wird, dann wohl nicht, weil man monarchistische Sympathien hegte, sondern weil die rechtliche Position der Familie anscheinend zu stark ist, als dass man sie einfach ignorieren könnte. Vor diesem Hintergrund halte ich nichts davon, das Thema politisch aufzuladen.

Es gäbe viele Möglichkeiten, die Machenschaften der Hohenzollern zum Thema zu machen und zu erklären, warum dies nicht die Tradition ist, in der unsere zweite deutsche Republik steht. Zum Beispiel, indem man darauf verzichtet hätte, den Anspruch des Gottesgnadentums mit einem goldenen Kreuz samt Inschrift an der Kuppel des Stadtschlosses erneut zu beglaubigen. Nicht Eigentumsansprüche blaublütiger Privatleute sind ein Problem, sondern ein allzu naiver Umgang mit der Ideologie, für die deren Vorfahren standen.

Axel Lehmann, München

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Quelle:
SZ vom 13.10.2020
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