Süddeutsche Zeitung

Universitäten im Freistaat:Internationale Forschung? Nicht in Bayern

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Kaum englischsprachige Studiengänge und wenig Möglichkeiten für internationale Wissenschaftler: Bayern und seine Universitäten sind für Ausländer nicht attraktiv genug.

M. Szymanski und M. Thurau

Mitten in der Diskussion über leichtere Zuzugsregeln für ausländische Fachkräfte kommt der von Regierungschef Horst Seehofer im Sommer berufene Beraterstab "Zukunftsrat" zu einem alarmierenden Befund: Der Hochschulstandort Bayern droht den internationalen Anschluss zu verlieren. In einem Gutachten bemängelt das mit 22 hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Kirchen besetzte Gremium, dass Universitäten und Hochschulen im Freistaat viel zu wenig unternähmen, um attraktiv für Forscher und Studenten aus dem Ausland zu sein.

Der Zukunftsrat widerspricht auch Seehofer, der sich als CSU-Chef gegen lockere Zuzugsregeln für Fachkräfte ausspricht. In dem Gutachten heißt es: "An Grenzen stößt die Internationalisierung der Hochschulen beim Zuwanderungsgesetz. Es muss für Nicht-EU-Bürger flexibilisiert werden." So ende das Aufenthaltsrecht ausländischer Doktoranden nicht selten sofort nach dem Abschluss. "Wir gehen mit den Leuten, die wir ja teuer ausbilden, nicht besonders gut um", sagt Karl-Dieter Grüske, Präsident der Universität Erlangen und einer der Autoren des Gutachten-Kapitels zur Internationalisierung. Die Experten fordern zudem großzügigere Aufenthaltsgenehmigungen auch für Familienangehörige.

CSU-Chef Horst Seehofer sieht bislang keinen Grund, am Gesetz etwas zu ändern. Das geltende Zuwanderungsrecht biete eine breite Palette an Möglichkeiten - auch in der Wissenschaft, argumentiert Seehofer. Der Zukunftsrat plädiert ausdrücklich für mehr Zuwanderung. Angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft sei es erforderlich, "die besten Köpfe aus aller Welt durch eine überzeugende Standort- und Ansiedlungspolitik nach Bayern zu bringen. Diese Politik muss als wichtigstes Attribut die Weltoffenheit tragfähig ausgestalten".

Obwohl die Zahl internationaler Studenten weltweit stark steigt, ist deren Zahl seit 2004 im Freistaat sogar um vier Prozent zurückgegangen. Auslandsberufungen von Professoren seien in Bayern "eine Seltenheit", an englischsprachigen Studienangeboten fehle es, kritisieren die Experten. Nur knapp 3,5 Prozent aller Studiengänge könnten im Freistaat in Englisch absolviert werden, der Bundesschnitt liegt bei fünf Prozent. Darunter leiden auch deutsche Studenten, die sich international bewerben wollen. "Es sollte zu den Standards der Ausbildung an bayerischen Hochschulen gehören, dass mindestens ein Studiensemester im Ausland absolviert wird", wünschen sich die Autoren des Zukunftsrates, den Unternehmensberater Herbert Henzler leitet.

Um nicht nur mehr, sondern auch besonders gute Studenten und Wissenschaftler nach Bayern zu holen, schlägt die Expertenrunde ein Sofortprogramm vor. So votiert sie für mehr englischsprachige Studienangebote in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie Ökonomie und Medizin. Die Hochschulen sollen außerdem "Centers" einrichten, die sich um die Auswahl ausländischer Studierender, aber auch um ihre Betreuung in Studien- und Alltagsfragen kümmern. Der Rat spricht sich auch dafür aus, von ausländischen Studenten dafür höhere Studiengebühren zu kassieren.

Für Nachwuchswissenschaftler während und nach der Promotion soll es einen Fonds geben, der in einem strengen Wettbewerb jährlich 500 Stipendien vergibt. An anglo-amerikanischen Unis seien derartige Programme "an der Tagesordnung", in Deutschland wäre es "im vorgeschlagenen Umfang konkurrenzlos". Zudem sollen die Universitäten herausragenden Jungforschern aus dem Ausland leichter "hochschulspezifische Karriereoptionen eröffnen" können.

Um Bayern für Professoren aus dem Ausland attraktiver zu machen, müssten die Hochschulen ihnen bessere Angebote machen können. Vor allem das starre Tarifrecht, so moniert der Zukunftsrat, sei ein Hindernis. Ähnlich den Humboldt-Professuren, mit denen Unis ausländische Forschungsstars umwerben, möchte der Rat bayernweit 50 Forschungsprofessuren eingerichtet wissen, mit denen auch kleinere Unis neue Forschungsgebiete konkurrenzfähig besetzen können.

Insgesamt veranschlagen die Experten jährlich 65 Millionen Euro für das Sofortprogramm. Regierungschef Horst Seehofer will das Gutachten nun prüfen. Er steht vielen Punkten zumindest offen gegenüber. "Der Befund ist gut, die Lösungsansätze sind gut. Nicht alles wird von heute auf morgen zu lösen sein", sagt Seehofer.

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Quelle:
SZ vom 05.01.2011
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