Süddeutsche Zeitung

Multinationale Teams:"Ihr Deutschen macht es euch echt schwer"

Lesezeit: 2 min

In Unternehmen, die Menschen unterschiedlicher Nationalitäten beschäftigen, kommt es gerne mal zu Missverständnissen. Multinationale Teams haben aber auch viele Vorteile. Kommunikationstrainerin Spomenka Kolar-Zovko weiß, wie der Arbeitsalltag mit Kollegen aus anderen Kulturen gut gelingt.

Jutta Göricke

Muss man wirklich perfekt Englisch sprechen, um in einem Unternehmen in Deutschland - und sei es noch so international aufgestellt - bestehen zu können? Oder ist es mit den multilingualen Teams gar nicht so weit her, wie manche Personaler Bewerber glauben machen wollen? Spomenka Kolar-Zovko ist Kommunikationstrainerin in Darmstadt und Berlin. Sie kennt sich mit bunt besetzten Teams aus.

SZ: Wie verbreitet ist Englisch als Unternehmenssprache in Deutschland?

Kolar-Zovko: Abgesehen von internationalen Unternehmen mit einer hohen Dichte an internationalen Kollegen wird nach wie vor nicht besonders viel Englisch gesprochen. Manche Unternehmen haben "English Afternoons", bei denen die Mitarbeiter angehalten werden, nur englisch miteinander zu reden. Interessant wird es, wenn zehn Deutsche mit einem Briten zusammensitzen, da reden dann alle englisch.

SZ: Wie gut ist das Englisch, das dort gesprochen wird?

Kolar-Zovko: Meist nicht sehr gut. Dabei sind nicht schwierige Fachbegriffe das Problem, sondern die Grammatik. Generell sind Arbeitnehmer bis 35 deutlich sprachgewandter, da sie im Studium viel Englisch lesen, schreiben und sprechen mussten. Insgesamt aber finden es viele schwierig, etwa E-Mails des internationalen Managements zu verstehen. Das sorgt nicht nur für einen hohen Zeitaufwand für die Übersetzung, sondern oft auch für eine gewisse Verstimmung bei denjenigen, die des Englischen nicht wirklich mächtig sind.

SZ: Wirkt die gemeinsame Arbeitssprache völkerverbindend?

Kolar-Zovko: Durchaus. So entstehen strategische Allianzen zwischen europäischen Kollegen, die etwa amerikanischen Mitarbeitern klarmachen, dass gewisse Dinge aufgrund kultureller Unterschiede nicht eins zu eins umgesetzt werden können.

SZ: Welche Probleme sind am häufigsten in Multikultiteams?

Kolar-Zovko: Wenn es zu Missverständnissen kommt, liegt das oft weniger an den kulturellen Unterschieden, sondern daran, dass Anweisungen nicht klar genug formuliert und kommuniziert werden. Ansonsten gilt: "Reden hilft!" Endloser E-Mail-Verkehr wirkt oft kontraproduktiv. Wo der Deutsche gerne alles bis ins kleinste Detail schriftlich festhält, sind internationale Kollegen schnell genervt. Besser die offenen Fragen sammeln und in einer Telefonkonferenz mit allen Beteiligten besprechen, dort Aufgaben klar verteilen.

SZ : Wa s der eine genau nimmt, sieht der andere womöglich lässig. Wie verankert man in enger Projektarbeit gemeinsame Erwartungen an Pünktlichkeit, Genauigkeit, Zuverlässigkeit?

Kolar-Zovko: Ein schottischer Kollege formulierte es einmal so. "Ihr Deutschen macht es euch echt schwer. Wenn ihr eine E-Mail schreibt, erwartet ihr, dass die Aufgabe sofort erledigt wird. Ich rechne meist erst nach der dritten Erinnerung damit." Vielen fällt es nicht leicht, sich mit anderen Arbeitskulturen abzufinden. Dabei kann man es sich im Arbeitsalltag einfacher machen, wenn man Eigenheiten einkalkuliert: Auch wenn es ein Klischee ist, antworten italienische Kollegen meist erst nach Ablauf einer Deadline. Was tun? Ihnen eine separate E-Mail schreiben und eine kürzere Deadline setzen.

SZ: Was sind die Vorteile eines Multikulti-Teams?

Kolar-Zovko: Die Vorteile liegen auf der Hand: Je nach Kultur hat jeder Kollege etwas anderes beizutragen. So kommt es oft zu umfassenden Lösungen, die eine Kultur alleine nicht hinbekommen hätte.

SZ: Würden Sie lieber in einem multinationalen oder in einem überwiegend deutschen Team arbeiten?

Kolar-Zovko: Ich bin Deutsche. Meine Eltern und mein Ehemann sind Kroaten. Meine Kunden kommen aus der ganzen Welt oder sind deutsche Global Player. Da stellt sich diese Frage für mich nicht. Wichtig ist, wie ich mein Ziel erreiche.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2011
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