Süddeutsche Zeitung

Immobilienmanager:Generalist und zugleich Spezialist

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Wirtschaft, Recht und Marketing: Führungskräfte der Immobilienbranche brauchen ganz unterschiedliches Wissen. Das erwerben sie in MBA-Real-Estate-Studiengängen. Doch was bieten solche Programme darüber hinaus?

Von Rebekka Gottl

Steigende Mieten, zahlreiche geplante Neubauprojekte oder die Forderung nach der Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen rücken die Immobilienbranche weiter in den Fokus des öffentlichen Interesses. Und damit nicht genug. "Durch die Digitalisierung, innovative Wohnkonzepte sowie das Streben nach Nachhaltigkeit kommt zurzeit viel Bewegung in den Markt", sagt Robert Windischmann.

Der Bauingenieur gehört zu denjenigen, die die Branche schon länger begleiten. Seit mehr als 20 Jahren ist er in der Immobilienwirtschaft tätig, zunächst als Bauleiter und später in wechselnden Anstellungen als Projektingenieur. Sein Metier ist die Vermarktung und Beschaffung betrieblicher Immobilien, "also der Immobilien von Unternehmen, deren Hauptgeschäft nicht Gebäude darstellen und die demnach kein Geld mit ihnen verdienen". Der 50-Jährige erstellt Finanzierungspläne, ermittelt den Marktwert von Grundstücken und kümmert sich um die technische Instandhaltung von Immobilien. "Die Branche lebt vom Austausch", sagt er.

Um auf Gleichgesinnte zu treffen, das täglich Angewendete aufzufrischen und um den Aspekt des nachhaltigen Wirtschaftens zu erweitern, schrieb sich Robert Windischmann an der International Real Estate Business School der Universität Regensburg (IREBS) ein. Jedoch nicht für ein Wochenendseminar oder eine mehrtägige Fortbildung in Immobilienökonomie, sondern für den berufsbegleitenden MBA-Studiengang in Real Estate.

Für das Studium entscheiden sich auch Architekten oder Bankangestellte

"Der MBA bietet die Gelegenheit, mich umfassend mit Neuerungen im Immobiliensektor zu beschäftigen und mein Wissen auf den neuesten Stand zu bringen", sagt er. Seit nunmehr acht Jahren ist Windischmann beim Baustoffhändler Stark Deutschland beschäftigt. Mit der Verwaltung von mehr als 200 Niederlassungen hierzulande hat der Ingenieur alle Hände voll zu tun. Im Büro in Offenbach am Main ist er kaum. "Am Schreibtisch kann ich mir das Luftbild anschauen und die Baupläne einsehen", sagt er. "Doch erst am Einsatzort bekomme ich einen umfassenden Einblick, kann durch das Gebäude laufen und mich mit den Bauherren besprechen."

Diese Berufspraxis teilt Windischmann im MBA-Studiengang mit seinen Kommilitonen - und profitiert gleichzeitig von den Erfahrungen derer, die sich der Immobilienbranche aus einer anderen Richtung nähern. Jener Fachkräfte, die bei Banken, Versicherungen oder Unternehmensberatungen angestellt sind oder als Architektinnen und Anwälte arbeiten.

Wie die Universität Regensburg, an der Windischmann studiert, setzt auch die Hochschule Biberach auf einen generalistischen MBA, "der die verschiedenen Zielgruppen miteinander ins Gespräch bringt und den auf Real Estate spezialisierten Teilnehmenden gerecht wird", sagt Miriam Rehm, MBA-Geschäftsführerin an der Hochschule Biberach. Der dort angebotene, international ausgerichtete Master of Business Administration für die Immobilienwirtschaft ist der erste seiner Art in Deutschland. Ins Leben gerufen wurde er vor 20 Jahren, als lediglich vereinzelt von demografischen Entwicklungen oder der Energiewende im Immobiliensektor gesprochen wurde. Themen, die heutzutage im Fokus zahlreicher Real-Estate-MBAs stehen und fester Bestandteil der Curricula sind.

"Inzwischen sind einige Masterstudiengänge im Bereich Immobilien hinzugekommen", sagt Rehm. "MBAs mit diesem Schwerpunkt gibt es aber nach wie vor nur wenige." Wichtig sei dabei, dass die Module von Dozierenden aus der Praxis begleitet würden, die pragmatisch an die Themen Bauplanungsrecht, Finanzierung und Investition oder Ressourcenmanagement gehen. In interdisziplinären Projektarbeiten widmen sich die Studierenden etwa dem Lebenszyklus einer Immobilie oder stellen ein Portfolio für einen internationalen Investor unter realen Rahmenbedingungen zusammen. Wie lassen sich Zielmärkte identifizieren? Was braucht es zum mittelfristigen Aufbau von Vermögen und zum langfristigen Management des neuen Immobilienbestandes? Um solche Fragen beantworten zu können, haben sowohl die Hochschule Biberach als auch die Universität Regensburg neben Modulen zum deutschen Bau- und Steuerrecht auch aktuelle Schwerpunkte wie digitale Geschäftsmodelle und Marketingkonzepte in den Lehrplan aufgenommen.

Ein wichtiger Aspekt für die Lehre sind zudem die ESG-Anforderungen (Environmental Social Governance), welche die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in die Immobilienwirtschaft integrieren sollen und die politischen Rahmenbedingungen eines Projekts definieren. "Künftig müssen ökologisch nachhaltige Investitionen und Ausgaben offengelegt werden", sagt Windischmann. In seiner Masterthesis, die er bis Ende des Jahres abschließen wird, widmet sich der MBA-Student daher der Umsetzung nachhaltiger Strategien. Er misst den Energieverbrauch in den Märkten der Stark-Gruppe, vergleicht, sucht nach Fehlerquellen sowie praktikablen Lösungsansätzen. Neben dem Aspekt der persönlichen Weiterbildung sieht Windischmann im MBA-Abschluss einen weiteren großen Vorteil: Er kann die eine oder andere Tür öffnen und für neue Berufsaussichten sorgen.

Bei Auslandsaufenthalten lernen MBAler, wie andere Märkte funktionieren

"Der Titel MBA ist begehrt auf dem Markt", betont Miriam Rehm. Laut einer Umfrage der Hochschule Biberach seien zwei Drittel der MBA-Absolventen zwei Jahre nach dem Abschluss innerhalb des Unternehmens aufgestiegen. "Besonders bei Bauingenieuren wird Wert auf ein immobilienwirtschaftliches Zusatzstudium gelegt", berichtet Windischmann. Wie etwa die Hälfte seiner Kommilitonen hat er die 20 000 Euro teure Weiterbildung zu 100 Prozent vom Arbeitgeber spendiert bekommen. Ausgenommen sind lediglich die Reisekosten im Ausland, wobei die geplanten Exkursionen wegen der Corona-Krise ohnehin auf das kommende Jahr verschoben wurden.

Die meisten der ein- bis zweijährigen MBA-Studiengänge mit dem Fokus auf Real Estate sehen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Aufenthalte in Singapur, Zürich oder Boston vor, damit sie ausländische Immobilienmärkte und andere Herangehensweisen an das Thema kennenlernen. "Ich könnte zig Bücher darüber lesen, aber wie ein Projektentwickler in den USA mit Herausforderungen umgeht oder ein Immobilienmanager im asiatischen Raum verhandelt, erfahre ich eben nur vor Ort", erläutert der angehende Master of Business Administration. Angereichert werden die Studienreisen in der Regel durch Besuche bei Immobiliengesellschaften, aus denen sich nicht selten Fallbeispiele entwickeln.

Wie in den meisten Vorständen sind Frauen in Führungspositionen auch in der Immobilienbranche weiterhin unterrepräsentiert. Ein Blick auf die Zusammensetzung der Studierendenschaft der auf Immobilien spezialisierten MBAs macht das ebenfalls deutlich. Obwohl sich das Bild laut Rehm zunehmend wandele, bestehen die MBA-Kurse im Immobilienbereich nach wie vor zu zwei Dritteln aus Männern, die sich von Fach- zu Führungskräften fortbilden lassen. Aufgrund der Bologna-Reform haben viele Studierende ihren Abschluss zudem früher in der Tasche und sind entsprechend jünger, wenn sie sich für einen weiterbildenden MBA-Studiengang bewerben. "Ein Großteil meiner Kommilitonen ist in den Zwanzigern und hat bereits zwei bis drei Jahre Arbeitserfahrung gesammelt", sagt Robert Windischmann. Mit seinen 50 Jahren ist er der Älteste im zurzeit virtuellen Klassenraum. Das hält den Ingenieur jedoch nicht davon ab, sich bereits nach weiteren Fortbildungen umzuschauen. Viele Ideen habe er. "Doch zunächst soll es darum gehen, die Inhalte des MBA konkret anzuwenden, um die Immobilienbranche nachhaltiger zu gestalten."

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