Süddeutsche Zeitung

Letzte Vorlesung:Todkranker Professor mit Abschiedsbotschaft

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In wenigen Monaten wird US-Professor Randy Pausch an Krebs sterben. Das Video seiner allerletzten Vorlesung wurde zur Web-Sensation - eine bewegende Bilanz. Mit Video

Jörg Häntzschel

Amerika liebt "inspiration", jene Mischung aus vager Spiritualität, althergebrachten Lebensweisheiten, gesundem Menschenverstand und kumpelhaftem Auf-die-Schulter-Klopfen, die man auf der Suche nach Glück immer gut gebrauchen kann. "Inspiration" trieft aus Fernsehpredigten, findet sich in goldener Schrift unter Fotos von Adlern über dem Grand Canyon und ist die Grundlage der unglaublich umfangreichen Ratgeberliteratur, die einem helfen soll, reicher, schlanker oder beliebter zu werden.

Andererseits hat Amerika auch genug davon, der Inspirationsindustrie immer wieder Geld zu geben für enttäuschende Rezepte zum Glücklichsein. Vielleicht ist es damit zu erklären, dass die "Letzte Vorlesung" des Informatikers und Virtual-Reality-Experten Randy Pausch innerhalb von Tagen zu einem Pop-Phänomen wurde, öfter im Internet gesehen als viele aktuelle Kinofilme.

Was würden Sie ihren Studenten und Kollegen sagen, wenn Sie nur noch diese eine, die "Last Lecture" hätten? So lautet die Hypothese, die diesem - gewöhnlich eher heiteren - Vortragsgenre zugrunde liegt, das an vielen amerikanischen Universitäten mittlerweile Tradition geworden ist.

Lesen Sie, wie Pausch seinen bewegenden öffentlichen Abschied inszenierte.

Doch als Pausch, 46, vor drei Wochen seine "letzte Vorlesung" hielt, war das durchaus wörtlich zu verstehen. Der Wissenschaftler leidet an Bauchspeicheldrüsenkrebs und wird, so seine Ärzte, in wenigen Monaten sterben. Was er an diesem Abend an seiner Universität, der Carnegie Mellon University in Pittsburgh sagte, ist Vermächtnis und öffentlicher Abschied zugleich, doch vor allem ist es eine Erinnerung ans Menschlichsein.

Von Pausch hatten die Amerikaner vorher noch nie gehört. Jetzt wissen sie: Er muss ein herzlicher, offener Mensch sein und ein hochbegabter Wissenschaftler. Er begeisterte seine Studenten, und nebenbei entwickelte er Achterbahnen für die Disney-Parks, arbeitete für die Videospiel-Firma Electronic Arts und beriet Google bei der Entwicklung seiner Internetseiten.

Er liebt seine drei Kinder, aber er kommt oft erst spät aus dem Büro. Er bekam nie den Nobelpreis und löste keines der drängenden Probleme der Welt. Berühmt ist er erst durch seine letzte Vorlesung geworden.

Und was sagte er? Nicht viel Neues: Glaub an Deine Träume und sie werden wahr. Bewahr Dir Deine kindliche Begeisterung. Rückschläge sind gut, sie halten die anderen auf. Grabe tiefer: Das Gold ist am Boden des Fasses. Sei Deinen Kritikern dankbar, sie glauben noch an Dich. Beklag Dich nicht, arbeite härter. Und: Wenn Deine Kinder die Wände bunt anmalen wollen, hey, erlaub es ihnen!

Es sind Banalitäten, die er da vom Stapel ließ, doch nicht als Philosoph hat er gesprochen, sondern als Mensch. Und nicht die intellektuelle Tiefe ist es, die berührt, sondern seine Aufrichtigkeit, seine Lebendigkeit und sein Humor.

Voller Schmerz über den Abschied von seiner Familie und seinen Freunden, aber im heiteren Rückblick auf ein erfülltes Leben sieht da einer seinem Tod entgegen. Hunderttausende fühlten sich von seinem Auftritt inspiriert. Nicht einmal Hollywood könnte das imitieren.

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Quelle:
SZ vom 8.10.2007
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