Süddeutsche Zeitung

Kündigung nach Bagatelldelikt:Mundraub im Krankenhaus

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Wieder ein Kündigungsprozess wegen eines Cent-Betrags - und wieder mutet das Szenario reichlich absurd an: Es geht um eine Küchenhelferin, zwei Brötchen und eine angebliche Schenkung.

Wieder ein Kündigungsprozess wegen eines Cent-Betrags: Ein Rechtsstreit um zwei angeblich gestohlene Brötchen ist am Freitag vor dem Arbeitsgericht Heilbronn einvernehmlich beigelegt worden.

Die Hohenloher Krankenhaus GmbH zog dabei den Vorwurf zurück, die gekündigte 60-jährige Küchenhelferin habe die beiden Brötchen gestohlen. Im Gegenzug erklärte sich die Frau mit ihrer Kündigung zum 30. September einverstanden, wie Gerichtssprecher Stefan Fiebig sagte. Bis dahin bekommt die Frau weiter ihr Gehalt, außerdem erhält sie eine erhebliche Nachzahlung.

Zeugnis mit der Note Zwei

Im Februar waren im Spind der Frau in der Klinik in Künzelsau zwei Brötchen entdeckt worden. Die Frau beteuerte, ein Auslieferungsfahrer habe den Mitarbeitern regelmäßig eine gewisse Anzahl Brötchen geschenkt, was dieser allerdings vor Gericht bestritt.

Der Arbeitgeber ging von einem Diebstahl aus. Die Anwältin der Frau äußerte vor Gericht jedoch den Verdacht, das Krankenhaus habe die Frau loswerden wollen. Der Frau ging es mit der Klage gegen ihre Kündigung nach eigenen Angaben darum, den Diebstahlsvorwurf aus der Welt zu schaffen.

"Obwohl sich der Vorwurf gegen die Frau im Laufe der Verhandlung eher erhärtet hat, haben sich die Parteien schließlich einvernehmlich geeinigt", sagte Gerichtssprecher Fiebig. So werde die langjährige Mitarbeiterin nun ein "qualifiziertes Zeugnis mit der Führungs- und Leistungsbewertung 'gut'" erhalten.

Zuletzt gab es mehrfach Kündigungsprozesse wegen kleiner Geldbeträge oder geringwertiger Gegenstände. Für bundesweites Aufsehen sorgte der Fall einer altgedienten Supermarkt-Kassiererin, die 31 Jahre lang unbeanstandet in einem Betrieb arbeitete, dann unberechtigt zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro einlöste und deshalb gekündigt wurde.

"Barbarisches Urteil"

Das Landesarbeitsgericht Berlin entschied zugunsten des Arbeitsgebers, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sprach daraufhin von einem "barbarischen Urteil von asozialer Qualität".

Im März erklärte das Arbeitsgericht Wuppertal die fristlose Kündigung einer 48-jährigen Discounter-Angestellten wegen 0,59 Euro für unwirksam. Die Mitarbeiterin benötigte nach Ladenschluss noch Damenbinden und ließ das Geld dafür absprachegemäß auf einem Tisch liegen. Später wurde ihr Diebstahl vorgeworfen.

Ebenfalls im März erklärte ein Gericht in Dortmund die Kündigung zweier Bäckerei-Mitarbeiter wegen eines angeblichen Brotaufstrich-Diebstahls aus formalen Gründen für unwirksam. Die strittige Frage, ob einer der Männer sich den Aufstrich widerrechtlich aneignen oder nur dessen Geschmack prüfen wollte, klärte das Gericht allerdings nicht.

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