Süddeutsche Zeitung

Jobsuche:Verdeckte Vermittlung

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Ob durch Empfehlung eines Nachbarn, den Kontakt von der Karrieremesse oder den Kollegen von einst - jede dritte freie Stelle wird durch persönliche Kontakte besetzt.

Von Anke Dankers/dpa

Es kann so einfach sein: Ein Unternehmen sucht einen IT-Experten, ein Mitarbeiter weiß, dass sein Nachbar gerade einen Job sucht - schon ist die Stelle besetzt. "Mehr als 50 Prozent der zu besetzenden Stellen werden auch über eigene Mitarbeiter und persönliche Kontakte gesucht. Und für über 30 Prozent der Befragten waren diese persönlichen Kontakte der entscheidende Weg", sagt Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) über diesen sogenannten verdeckten Arbeitsmarkt.

Doch es gibt große Unterschiede. Zum Beispiel wirkt sich die Größe des Betriebs auf das Suchverhalten aus: Firmen mit weniger als 50 Beschäftigten suchen laut Statistik doppelt so häufig über persönliche Kontakte nach Mitarbeitern wie Betriebe mit 250 oder mehr Beschäftigten.

Der Grund dafür ist simpel, wie Annika Schneider vom Infodienst Wila Arbeitsmarkt erklärt: "Eine offizielle Stellenausschreibung bedeutet viel Arbeit. Von der Ausschreibung selbst über das Sichten der Bewerbungsunterlagen bis hin zum Führen der Vorstellungsgespräche." Das ist ein Aufwand, den manche Firmen nicht betreiben können oder wollen. Bei der Stellenbesetzung über Kontakte lässt sich außerdem schneller herausfinden, ob ein Bewerber in die Firmenkultur passt. "Wenn mir jemand sagt, der könnte zu euch passen, ist diese Hürde im besten Fall schon überwunden", sagt Schneider.

Sie empfiehlt Bewerbern, den verdeckten Stellenmarkt unbedingt als Möglichkeit der Jobsuche wahrzunehmen. Doch wie kommt man an die Jobs, die in der Öffentlichkeit keine Erwähnung finden? "Es ist erst mal wichtig, dass die Leute wissen, dass ich auf Stellensuche bin. Ich muss mir überlegen, wo ich hin will und mit Kollegen, Nachbarn und Freunden ins Gespräch darüber kommen."

Ist das passende Branchenumfeld ausgemacht, empfiehlt es sich, Kontakte zu knüpfen, etwa auf Jobmessen, Konferenzen oder Tagungen. "Man sollte immer Visitenkarten dabei haben und mit Leuten ins Gespräch kommen. Es geht nicht darum, jemanden zu fragen, ob er einen Job für mich hat, sondern sich über fachliche und berufliche Themen auszutauschen", sagt Schneider. Das Ziel müsse sein, sich als Experte für bestimmte Themen zu positionieren, nicht als Arbeitssuchender.

Netzwerken hält auch Thomas Röser vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung für den besten Weg, um auf dem verdeckten Stellenmarkt Fuß zu fassen: "Man muss Gesicht zeigen." Das bedeutet, ein eigenes berufliches Profil zu entwickeln und dieses im persönlichen Gespräch, über Online-Portale oder Praktika zu präsentieren. Insbesondere in Online-Netzwerken sei es wichtig, aktiv Kompetenzen in den Vordergrund zu stellen. Sein Tipp: "Sich auf keinen Fall arbeitslos darstellen, sondern aktiv. Wenn man beispielsweise IT- oder Führungskompetenzen hat, sollte man diese herausarbeiten, sodass man anderen Headhuntern auffällt."

Wer sich blind bewirbt, sollte sein Profil möglichst genau an die Firma anpassen

Auch eine Initiativbewerbung kann den Weg in einen neuen Beruf ebnen. Wer sich blind bewirbt, sollte sein Profil möglichst genau an das Unternehmen und die entsprechende Tätigkeit anpassen. Viel Arbeit, die sich nur lohnt, wenn die Chancen auf Einstellung überhaupt gegeben sind. Deshalb ist es wichtig, schon vorher zu klären, ob es vakante Stellen im Unternehmen gibt. "Auch da ist wieder die Frage: Kenne ich vielleicht jemanden aus dem Betrieb, den ich fragen könnte?", sagt Röser.

Vielversprechender können dagegen Praktika, freie Mitarbeit oder Zeitarbeit sein. Auch wenn es vielleicht bedeutet, dass man zunächst für weniger Geld arbeitet, kann man seine Kompetenzen unter Beweis stellen und den potenziellen neuen Arbeitgeber kennenlernen. Wer sich engagiert, die Betriebsabläufe kennt und bereits gezeigt hat, dass er zur Firma passt, hat oft bessere Chancen auf eine Einstellung als betriebsferne Bewerber.

Ob über persönliche Kontakte, Jobmessen, Initiativbewerbungen oder Praktika - wer sich auf dem verdeckten Stellenmarkt positionieren möchte, brauche Geduld, gibt Röser zu bedenken: "Das ist ein längerer Prozess, aber insgesamt ein erfolgreicher."

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Quelle:
SZ vom 01.07.2017
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