Süddeutsche Zeitung

Job-Speeddating:Bewerber, Ihr habt fünf Minuten

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Beim Job-Speeddating können Jugendliche Kontakte zu Firmen aufnehmen - für manche die entscheidende Chance. Trotzdem machen viele Bewerber immer wieder die gleichen Fehler.

Tobias Gafus

Burak hat alles richtig gemacht: über dem schwarzen Hemd ein grauer Pullunder, dazu eine dunkle Jeans und die braunen Schuhe frisch geputzt und makellos. Er sieht genau so aus, wie sich ein Personaler einen 15-jährigen Bewerber wünscht: akkurat angezogen, aber nicht in einen Anzug gesteckt, der wie eine Verkleidung wirkt. Mit seiner Kleiderwahl hat Burak die erste Hürde genommen beim Job-Speeddating von "Sprungbrett Bayern", die größte Online-Praktikumsbörse für Schüler in Bayern.

Das Internetportal der bayerischen Wirtschaft führte die Veranstaltung erstmals durch. Burak ist einer von etwa 140 Schülern und Schülerinnen aus Münchner Haupt- und Realschulen, die ihren Samstagmorgen nicht entspannt im Bett verbringen, sondern etwas für ihre berufliche Zukunft tun wollen.

Zehn Unternehmen aus der Metall- und Elektrobranche haben ihre Stände aufgebaut und warten auf Bewerber. Das Konzept ist einfach: In Gruppen von bis zu vier Jugendlichen haben die Acht- und Neuntklässler 25 Minuten Zeit pro Unternehmen, um ihr Gegenüber von sich zu überzeugen - im Idealfall erhalten sie einen Praktikumsplatz oder sogar eine Lehrstelle.

Nicht alle Schüler haben gleich einen Termin bei einem Unternehmen. Und können somit die Zeit nutzen, um sich in einem der Vorträge letzte Ratschläge zu holen - etwa zu den eigenen Bewerbungsunterlagen. So kann verhindert werden, dass ein Junge einen Lebenslauf verschickt, in dem er mit einem peinlichen Partyfoto glänzen will. Plötzlich klingelt ein Handy. "Sofort ausmachen. Das darf bei den Unternehmen nicht passieren", erklärt die Referentin.

Doch nicht nur die Hinweise aus den Vorträgen sollen den Schülern helfen, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Auch das Konzept trage laut Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie, dazu bei, dass es die Schüler leichter haben. "Durch die Gruppeninterviews bauen wir Hemmungen bei den Schülern ab, es nimmt ihnen die Scheu, wenn sie nicht alleine sind", erklärt er.

Wohl aus dem gleichen Grund führen bei dem Rüstungskonzern Cassidian Auszubildende die Gespräche. Doch der Plan geht nicht immer auf. Schüchtern stehen zwei 14-jährige Mädchen vor ihrer Interviewerin, die gerade mal drei Jahre älter ist als sie. Erst einmal lassen sich die Mädchen erklären, was Cassidian überhaupt so macht. In der Präsentationsmappe gibt es die entsprechenden Bilder, der Zeigefinger der Auszubildenden fährt mit. Marschflugkörper, Radarsysteme, Verteidigungselektronik.

Zumindest mit Airbus können die Mädchen etwas anfangen. Englisch sei sehr wichtig, erfahren sie, sprachbegeistert sind sie nur "ein bisschen". Was man als Industriekauffrau wohl so mache? Die Stille beginnt gerade peinlich zu werden, als eine den Versuch einer Antwort unternimmt: "Irgendwas mit Computern?" Sie spricht es wie mit drei Fragezeichen.

Das wäre Burak nicht passiert: "Sind doch eh immer die gleichen Fragen." Und auf die hat er sich natürlich vorbereitet. Die Gespräche mit Epcos, einem Unternehmen, das elektronische Bauelemente fertigt, und dem Hydraulikpumpenhersteller Hawe seien gut gelaufen, wohl auch deshalb, weil er sich in der Früh noch ein paar Informationen zu den Unternehmen aus dem Internet herausgesucht hat. "Ein Praktikumsplatz wäre schon super", sagt er, denn nächstes Jahr muss er von der Schule aus sowieso ein Praktikum machen. "Ich war letztes Jahr einfach ein fauler Hund, deshalb ist mein Zeugnis nicht das beste", gesteht er.

Um die reguläre Bewerbung kommen sie nicht herum

Wenn Burak demnächst Post von Epcos oder Hawe bekommt, könnte Brossardt sich bestätigt fühlen, denn: "Hier beim Speeddating erhalten auch Schüler eine Chance, die sonst aufgrund ihrer Noten schon im Voraus aussortiert werden."

Allerdings sortieren sich manche auch selbst im Voraus aus. Ein Junge berichtet, dass einige seiner Klassenkameraden den Anmeldebogen weggeworfen haben, als sie gesehen haben, dass sie ihre Noten angeben müssen. Dabei ging es den Veranstaltern nur darum, die Schüler entsprechend ihrer Fähigkeiten den richtigen Unternehmen zuzuteilen. Die sind von den Jugendlichen größtenteils begeistert. "Fast alle sind motiviert und gut vorbereitet", sagt Peter Felbier von Siemens, der am Ende der Veranstaltung acht Schülern ein Praktikum in Aussicht stellen konnte.

Verschenkte Chancen

Auch bei MAN und dem Software-Entwickler F&F hat man Kandidaten ausgemacht. Da aber die Praktikumszeiträume noch abgeklärt und die Daten der Bewerber abgespeichert werden müssen, kommen sie um eine reguläre Bewerbung nicht herum.

Anders der 17-jährige Süleyman: Er hat seinen Praktikumsplatz bei Siemens schon sicher. Er kann nicht verstehen, warum so viele seiner Klassenkameraden nicht zum Speeddating kommen wollten: "Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, dass ich heute hier war. Wer dafür zu faul ist, verschenkt eine große Chance." Diejenigen seiner Klassenkameraden, die es im Nachhinein bereuen, nicht dabei gewesen zu sein, bekommen jedoch eine zweite Chance: Das nächste Speeddating ist für diesen Herbst geplant.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2011
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