Süddeutsche Zeitung

Islamstudium in Deutschland:Imam mit Diplom

Der Islam hält Einzug in die deutschen Universitäten. Die Nähe zur Wissenschaft kann ihm nur guttun. Wie erfolgreich die Islam-Zentren werden, hängt jetzt von den Professoren ab.

Tanjev Schultz

Wenn der Islam zu Deutschland gehört, dann gehört er auch an die deutschen Universitäten. Jahrzehntelang hat sich allenfalls der Verfassungsschutz dafür interessiert, was in den Moscheen gepredigt wurde. Die Hochschulen fühlten sich nicht zuständig. Das soll sich nun ändern. Statt Ausländer einzufliegen, die weder das Land noch die deutsche Sprache kennen, könnte es bald Imame mit deutschem Uni-Diplom geben. Das ist endlich einmal ein konstruktiver Beitrag in der Integrationsdebatte.

Die Universitäten sind diskurserprobte Orte; die Nähe zu den Wissenschaften und zur christlichen Theologie kann der islamischen Gelehrsamkeit in Deutschland nur guttun. Langfristig kann daraus auch ein Beitrag zu einem aufgeklärten europäischen Islam werden. Allerdings darf man die vielen Hürden nicht übersehen, die noch zu überwinden sind.

Die Funktionäre der islamischen Verbände begrüßen zwar die deutsche Uni-Ausbildung, aber die Konflikte werden schon noch kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche und das Beten gen Mekka in der Moschee. Die Verbände haben unterschiedliche Interessen, und im Islam gibt es viele verschiedene Richtungen, die nicht alle in gleicher Stärke an den wenigen deutschen Islam-Zentren vertreten sein werden. Vor allem bei der Ausbildung von Religionslehrern wird es darauf ankommen, einen übergreifenden Ansatz zu finden.

Die neuen Islam-Zentren sind außerdem nicht nur für Muslime da. Die Deutschen haben viele Fragen an den Islam. Viele sind verunsichert von dieser Religion, über die hierzulande viel Falsches und Halbwahres kursiert. Die muslimischen Professoren müssen also gute und geduldige Aufklärer sein.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2010
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