Süddeutsche Zeitung

Hotel- und Gaststättengewerbe:Ungenießbare Kochausbildung

Lesezeit: 2 min

Fast jeder zweite Kochlehrling bricht laut Bundesinstitut für Berufsbildung seine Ausbildung ab. Gewerkschafter beklagen zu lange Arbeitszeiten und einen ruppigen Umgang in der Branche. Die Arbeitgeber werfen den Azubis "falsche Erwartungen" an den Beruf vor - und vermuten einen Rechentrick.

Charlotte Frank

Dass es in deutschen Küchen zuweilen derb zugeht, gilt spätestens seit dem Kinderlied "Ein Mops kam in die Küche" als Allgemeingut. Nachdem der Hund ein Ei gestohlen hat, wird die Ordnung auf handfeste Weise wieder hergestellt: "Da nahm der Koch die Kelle und schlug den Mops entzwei." Nun ist das Lied von Mops und Ei zweifelsohne dem Bereich der Legenden zuzuordnen, doch festzuhalten bleibt, dass das Klima in mancher Küche bestenfalls als rau bezeichnet werden kann. Für die Schwächsten der Hierarchie ist das oft schwer zu ertragen: In keinem anderen Beruf halten so viele Lehrlinge ihre Ausbildung nicht durch.

Im vergangenen Jahr hat mit fast 44 Prozent fast jeder zweite werdende Koch seinen Ausbildungsvertrag aufgelöst. Auch im neuen Lehrjahr, das an diesem Donnerstag beginnt, rechnen Experten nicht mit Besserung. "Köche führen seit Jahren die Rangliste der Ausbildungsabbrecher an", stellt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) fest, das die Zahlen ermittelt hat. "Die Ausbildungsbedingungen in diesem Beruf sind eine Katastrophe", heißt es beim Deutschen Gewerkschaftbund (DGB).

"Jeder werdende Koch leistet mehr als zehn Überstunden pro Woche"

Es sind vor allem die Arbeitszeiten, die den Gewerkschaftern Sorge bereiten. "Zwei Drittel der Kochazubis müssen regelmäßig Überstunden machen", sagt Benjamin Krautschat aus der Abteilung Jugend und Jugendpolitik des DGB, durchschnittlich leiste jeder werdende Koch mehr als zehn Überstunden pro Woche. Oft komme darüber die Berufsschule zu kurz und müsse nachgearbeitet werden - nur wann, wenn der Lehrling nicht mal am Wochenende frei hat?

Im Forum Dr. Azubi des DGB, in dem Auszubildende sich beraten lassen können, klagen Krautschat zufolge gerade junge Köche über Beschimpfungen und einen ruppigen Umgang. Kein Wunder: In Küchen arbeiten meist wenige Personen unter hohem Druck zusammen, Konflikte prallen ungebremst aufeinander, Arbeitnehmervertreter gibt es selten.

Unter den vier unbeliebtesten Lehrberufen sind drei gastronomische

Nun wäre es übertrieben, die Ausbildung in anderen Berufen als durchweg besser darzustellen. Laut BIBB werden 22 Prozent aller Lehrlings-Ausbildungen abgebrochen. Doch unter den vier unbeliebtesten Lehrberufen sind drei gastronomische: Auf die Köche folgen auf Platz zwei mit 43,6 Prozent die Restaurantfachmänner, gemeinhin Kellner genannt, an vierter Stelle kommen mit 42,7 Prozent aufgelösten Lehrverträgen die Fachkräfte im Gastgewerbe. Allein der öffentliche Dienst schneidet gut ab: Hier werden nur fünf Prozent der Verträge vorzeitig gekündigt.

Dennoch sieht man beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) wenig Anlass, an der Ausbildung zu feilen. Eine Sprecherin erklärt, tatsächlich würden lediglich 24,5 Prozent der Köche ihre Ausbildung verfrüht lösen - Daten, die laut Statistikern am BIBB herauskommen, wenn man die Zahl der Vertragslösungen nicht, wie üblich, mit den Vertragsneuschließungen eines Jahres vergleicht, sondern mit allen Ausbildungsverträgen aus allen drei Lehrjahren. Ein Rechentrick also.

Arbeitgeber sprechen nicht von schlechten Ausbildungsbedingungen

Auch deshalb sieht die Dehoga-Sprecherin die Verantwortung kaum bei den Betrieben: "Vor allem falsche Vorstellungen und Erwartungen führen zu Unzufriedenheit bei jungen Menschen", sagt sie. Auch "Konflikte im sozialen Bereich, Lernschwierigkeiten oder eine falsche Einschätzung zur Eignung für den Beruf" könnten Gründe für Vertragslösungen sein. Von schlechten Ausbildungsbedingungen in der Gastronomie ist nicht die Rede.

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SZ vom 01.09.2011
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