Süddeutsche Zeitung

Führungsspitzen:"Chef, wir haben ein Problem"

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Aufgeblasene Mode-Wörter hören Chefs gerne, nicht aber Wörter, die einen Sachverhalt beim Namen nennen. Warum es ein Problem ist, wenn man ein Problem nicht mehr "Problem" nennen darf.

Harald Freiberger

Es gibt Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern sagen, dass das Wort "Problem" in ihrer Abteilung ein absolutes No-go ist, also etwas, das gar nicht geht. Noch so absurde Anglizismen sind erlaubt, auch aufgeblasene Mode-Ausdrücke, die in den Ohren schmerzen, nicht aber Wörter, die einen Sachverhalt beim Namen nennen. Der Grund für das Verbot ist der negative Klang des Wortes. Ein "Problem" zeigt an, dass etwas nicht richtig läuft, und darauf reagieren Führungskräfte allergisch.

Wer das Wort selbst gebraucht, erweckt den Eindruck, er habe etwas nicht im Griff. Das wollen Chefs vermeiden, deshalb findet man kaum einen, der es in den Mund nimmt. Offenbar heißt die erste Lektion jedes Führungskräfte-Seminars für Anfänger: "Du sollst nie ,Problem' sagen." Die wenigen Chefs, die es trotzdem noch tun, haben entweder noch nie ein Führungskräfte-Seminar besucht, oder sie haben in Wirklichkeit eine Katastrophe zu verantworten, die sie nun zum "Problem" herunterspielen.

Der geläufigste Ersatz für das "Problem" im Berufsalltag ist das Wort "Thema"; das hat keinen negativen Beiklang, sondern steht ganz neutral auf der Tagesordnung. Man muss nur darauf achten, wie oft Chefs das Wort "Thema" gebrauchen, um abschätzen zu können, wie schlecht es der Firma geht.

Häufig taucht das Wort auch in Verbindung mit einem anderen negativen Wort auf. Es gibt zum Beispiel das "Restrukturierungsthema", das nichts anderes bedeutet, als dass ein großer Teil der Belegschaft überflüssig ist. Besondere Vorsicht ist für die Mitarbeiter geboten, wenn sich zur einen Untertreibung eine zweite gesellt: Das "Freistellungsthema" ist in Wahrheit das Problem, dass die Firma Mitarbeiter rausschmeißen muss.

Eine Stufe über dem neutralen "Thema" steht das Wort "Herausforderung", das nicht wenige Führungskräfte als Problem-Ersatz verwenden. Während sich "Problem" anhört, als würde man sich vor einem Thema die Haare raufen und überhaupt keine Ahnung haben, wie es sich bewältigen lässt, klingt "Herausforderung" dynamisch. Man signalisiert damit schon den festen Willen, das Problem zu überwinden.

Erfolgreich im "herausfordernden Umfeld"

Relativ neu ist der Gebrauch des Wortes als Adjektiv, meist in Zusammenhang mit dem "Umfeld". Es gibt seit einiger Zeit kaum mehr einen Konzernchef, der nicht stolz darauf ist, sich im letzten Jahr in einem "herausfordernden Umfeld" gut behauptet zu haben, oder zuversichtlich ist, sich im nächsten Jahr in einem "herausfordernden Umfeld" gut zu behaupten. Das liegt wohl daran, dass die Herausforderungen in den letzten Jahren zugenommen haben, zunächst mit der Finanzkrise, dann mit der europäischen Schuldenkrise, zuletzt mit der Nahostkrise und der Reaktorkatastrophe in Japan.

"Krise" und "Katastrophe" sind auch solche Wörter, die ein Chef nie in den Mund nehmen würde und die er auch seinen Mitarbeitern verbietet. Das Thema, wenn nicht gar die Herausforderung dabei ist, dass man bei so viel Untertreibung, Beschwichtigung und Verniedlichung im Berufsleben nicht mehr erkennt, wenn es wirklich ernst wird.

"Houston, wir haben ein Thema"

Wie lautete der Spruch der Besatzung von Apollo 13 im Jahr 1970 an die Erdstation? "Houston, wir haben ein Problem." Und was sagt wohl heute der Mitarbeiter eines japanisches Atomkraftwerks zu seinem Chef, wenn er feststellt, dass Radioaktivität ausgetreten ist? "Chef, wir haben ein Thema."

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Quelle:
SZ vom 28.03.2011
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