Süddeutsche Zeitung

Führung:"Hierarchien sind unverzichtbar"

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Aber sie müssten nicht formal fixiert sein, sagt Andreas Zeuch. Er berät Unternehmen, in denen die Mitarbeiter demokratisch entscheiden.

Interview von Christine Prußky

Andreas Zeuch arbeitet als Unternehmer, Mediator, Coach und Autor in Berlin und versteht sich selbst als Unternehmensdemokrat. Er erklärt, was damit gemeint ist.

SZ: Sie beraten Unternehmen, die sich demokratisch organisieren wollen. Was heißt das für die Beschäftigten?

Andreas Zeuch: Diese Organisationsform hat enorme Folgen für jeden einzelnen Unternehmensangehörigen. Leitungskräfte sind davon genauso betroffen wie Beschäftigte, die noch keine Führungsverantwortung getragen haben. Letztere müssen sich fragen, ob sie überhaupt selbstverantwortlich arbeiten und die neuen Mitwirkungsmöglichkeiten nutzen wollen und vor allen Dingen auch können. Sich das ganz genau zu überlegen, ist entscheidend. Denn: In demokratisch organisierten Betrieben fällt die Weisung als Führungsinstrument weg. Gleichzeitig müssen die jeweils betroffenen Kollegen dazu gebracht werden, eine bestimmte Sache zu erledigen. Das tun sie erst, wenn sie ihre Notwendigkeit erkannt haben. Um sie dahin zu bringen, braucht es bisweilen Zeit und kommunikatives Geschick. Das muss wirklich allen bewusst sein.

Auch den bisherigen Chefs.

Richtig. Sie müssen sich darauf einlassen, dass sie auf die Anweisung als Führungsinstrument verzichten müssen. Es geht aber nicht nur um das Ja zur Überzeugungsarbeit. Unabdingbar ist auch, Aufgaben und die damit verbundene Verantwortung wirklich abzugeben, immer wieder neue Rollen zu entwickeln - und dabei auf Statussymbole zu verzichten.

Zum Beispiel?

Das besonders schöne Eckbüro oder den zweiten Assistenten gibt es in demokratischen Betrieben nicht mehr im Dauerabo. Ressourcen werden befristet nach den jeweiligen Aufgaben verteilt. Das erfordert ein grundsätzliches Umdenken, das alles andere als trivial ist und angestammte Führungskräfte erst einmal bewältigen müssen. Mindestens genauso schwer ist es für sie, denjenigen, die ihre bisherigen Aufgaben übernehmen, das nötige Vertrauen entgegenzubringen. Die Demokratisierung von Unternehmen scheitert oft am fehlenden Vertrauen.

Trotzdem gelingt der Umbau oder auch Aufbau solcher Firmen. Was darf dabei keinesfalls fehlen?

Flexibilität! Und zwar in einer Form, wie sie im klassischen Arbeits- und Berufsleben nicht geübt werden kann. In demokratischen Unternehmen müssen alle in der Lage sein, mal in Führung zu gehen, und dann wieder in die Reihe zu treten. Dieser grundlegende, stetige Rollenwechsel muss gelingen.

Die Demokratisierung von Firmen, für die Sie werben, fassen Sie unter dem Schlagwort "Alle Macht für niemand" zusammen. Die Abschaffung von Hierarchien haben Sie aber nicht im Sinn.

Nein und ja. Ich plädiere nicht für absolute Hierarchiefreiheit. Hierarchien sind unverzichtbar. Auf keinen Fall aber brauchen wir formal fixierte Hierarchien, die dann womöglich auch noch an Personen gebunden sind. Gleichzeitig kann ich nur davor warnen, die Demokratisierung selbst als ein Garantie für den künftigen Unternehmenserfolg zu sehen. Demokratische Firmen gehen auch pleite.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2017
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