Süddeutsche Zeitung

Erhöhung der gesetzlichen Honorare:Anwälte wollen 19 Prozent mehr Geld

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Nach sieben Jahren ohne Anstieg der gesetzlichen Honorare ruft der Anwaltschaft nach höheren Gebühren. Nur bei fairer Entlohnung bleibe der Zugang zum Recht für die gesamte Bevölkerung erhalten. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sieht das ähnlich.

W. Janisch und H. Kerscher

Die Anwaltschaft fordert mit großem Nachdruck eine deutliche Erhöhung der gesetzlichen Gebühren noch in dieser Legislaturperiode. Weil seit Jahren Stillstand herrsche, halte der Deutsche Anwaltverein (DAV) eine Anhebung der Gebührentabelle um 19 Prozent für angemessen, sagte dessen Präsident Wolfgang Ewer bei der Eröffnung des 62. Deutschen Anwaltstags am Donnerstag in Straßburg. "Die Anwaltschaft muss seit Jahren Nullrunden aushalten, während auf der anderen Seite die Kosten für den Betrieb einer Kanzlei und die Löhne der Mitarbeiter seit 1994 stetig gestiegen sind."

Da mit einer Anpassung der Gebühren - an der das Bundesjustizministerium derzeit arbeitet - nicht vor dem 1. Juni 2013 zu rechnen sei, beliefe sich die Erhöhung seit der letzten Reform von 2004 auf gut 2,1 Prozent pro Jahr. "Professionelle Rechtsberatung benötigt eine faire Entlohnung", sagte Ewer. Nur wenn dies gewährleistet sei, bleibe für die gesamte Bevölkerung der Zugang zum Anwalt und damit zum Recht erhalten. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte den Anwälten zu, auch sie halte die Zeit für gekommen, eine Anpassung der Gebühren anzugehen.

Nach Darstellung der Anwälte hat die Reform von 2004 wenig Erleichterung gebracht, denn die eigentlichen Gebührentabellen seien seit 1994 unverändert. Ein Hindernis für eine Gebührenanhebung sei offenbar die Furcht der Länder, ihre Haushalte würden unter der Anhebung leiden, weil die Gebühren für ärmere Bürger über die Prozesskostenhilfe - also aus der Staatskasse - finanziert würden.

DAV-Geschäftsführer Udo Henke hält diese Sorge allerdings für unberechtigt. Wie er der Süddeutschen Zeitung erläuterte, arbeite das Justizministerium an einer Gesamtreform der Kostenordnungen. Weil davon beispielsweise auch Handels- und Vereinsregister sowie Grundbuch betroffen seien, bedeute dies für die Länder jährliche Mehreinnahmen von rund 200 Millionen Euro - denen zusätzliche Ausgaben von vielleicht 70 Millionen für die Prozesskostenhilfe gegenüberstünden.

Nach Henkes Worten werden Alltagsfälle - wie Streitigkeiten um Miete, Warenkauf, Handwerksrechnungen, aber auch Scheidungen - ganz überwiegend über die Gebührenordnung abgerechnet. Weil die Anwälte zunehmend spezialisiert, gesonderte Honorarvereinbarungen aber nicht in allen Rechtsgebieten üblich seien, hätten viele Anwälte kaum die Möglichkeit, ihre Einnahmen aufzubessern. Bagatellverfahren könnten immer seltener durch lukrative Mandate querfinanziert werden, weil der Markt stark aufgesplittet sei.

Vorbild für Europa

Die Ministerin betonte beim ersten Deutschen Anwaltstag im Ausland die Bedeutung von gemeinsamen Rechtsnormen in Europa. Der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg und die nationalen Verfassungsgerichte stünden untereinander nicht in Konkurrenz. So hätten die Urteile des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung so viele Elemente der Kooperation enthalten, dass sie als Vorbild für Europa gelten könnten.

Zurückhaltender äußerte sich Anwaltvereins-Präsident Ewer. Das Verhältnis zwischen dem Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Grundrechtscharta sei noch nicht abschließend geklärt. Es gebe offene Fragen nach den Schnittpunkten der Kompetenzen zwischen den Gerichten. Konkrete Sorgen um die Grundrechte formulierte Ewer angesichts der deutschen Anti-Terror-Gesetze und der Regelung der Vorratsdatenspeicherung. Polizei- und Sicherheitsgesetze bedürften vor einer Verlängerung einer ausgewogenen und unabhängigen Prüfung. Die verdachtslose und anlasslose Speicherung aller elektronischen Verbindungsdaten sei ein verfassungswidriger Eingriff in das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sagte er unter starkem Applaus.

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Quelle:
SZ vom 03.06.2011
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