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Bewerbung:Das kann ins Auge gehen

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Wenn viele Kandidaten um eine begehrte Stelle buhlen, kommt man mit einer 08/15-Bewerbung nicht weit. Die Guerilla-Taktik ist der Versuch, sich kreativ und überraschend zu präsentieren. Doch das birgt auch Risiken.

Von Tobias Schormann

Eine graue Mappe mit Standard-anschreiben, Lebenslauf und Foto? Langweilig! Warum nicht mal eine Torte als Bewerbung verschicken oder sich auf einer Plakatwand präsentieren? Als Bewerber muss man schließlich aus der Masse herausstechen. Mutige Kandidaten wählen daher eine Guerilla-Taktik und versuchen, mit unkonventionellen Mitteln in die Offensive zu gehen.

Der Begriff Guerilla-Bewerbung leitet sich vom Guerilla-Marketing ab. Er bezeichnet ungewöhnliche Formen der Werbung und war ursprünglich vor allem für kleinere Firmen gedacht, die mit wenig Kosten viel Aufmerksamkeit für ihre Produkte erreichen wollen.

Guerilla-Bewerbungen sind eine hohe Kunst - bestenfalls beweisen Kandidaten damit, dass sie kreativ sind und offen für neue Ideen. Alles Punkte, die heute in vielen Berufen gefordert werden. Und sie zeigen, dass Bewerber sich Mühe gegeben haben, sagt der Karrierecoach Bernd Slaghuis aus Köln: "Das hat dann einen Wow-Effekt beim Personaler." Auffallen um jeden Preise sei aber die falsche Devise. Denn zwischen genial und genial daneben ist es nur ein schmaler Grat. Schlimmstenfalls wirkt es einfach nur peinlich.

Der Entertainer Stefan Raab zum Beispiel soll seinen Bewerbungen ein Glas Honig und einen Pinsel beigelegt haben - so könne sich der Arbeitgeber den Honig selbst um den Bart schmieren. Klingt lustig, kann in der Praxis aber leicht schiefgehen: So dürfte der Personaler einfach nur genervt sein, wenn er statt einer ordentlichen Bewerbung ein verklebtes Paket erhält, weil das Glas dummerweise auf dem Postweg zerbrochen ist.

Auch eine Bewerbung im Blumenstrauß hört sich erst einmal nach einer netten Idee an - wer bekommt nicht gerne Blumen? Dumm nur, wenn der Personaler ein paar Tage im Urlaub war und bei der Rückkehr bloß noch einen vertrockneten Strauß vorfindet. Und wer beim Wunscharbeitgeber ohne Termin aufläuft, um etwa eine künstlerische Performance hinzulegen, wird in der Regel am Empfang abgefangen und wieder hinauskomplimentiert. Sieht meist auch blöd aus.

Einfach nur anders als die anderen zu sein, ist noch kein Einstellungsgrund. Am Ende kommt es auf die Substanz an, erklärt Slaghuis. Es muss daher einen inhaltlichen Bezug zum Unternehmen geben. "Sonst zuckt der Personaler nur mit den Schultern", ergänzt Karrierecoach Jürgen Hesse aus Berlin. Bei einer Bewerbung an Ferrero könne man die Unterlagen beispielsweise in ein Nutella-Glas stecken - das erzeugt Aufmerksamkeit. "Die Verpackung macht's schließlich." Noch besser: eine ausgefallene Torte als Bewerbung für eine Lehrstelle in einer Konditorei vorbeibringen. Oder als technischer Zeichner mit einem Architekturmodell bewerben. Damit hat der Chef gleich die erste Arbeitsprobe in der Hand, sagt Slaghuis.

Ansonsten werden Kreativbewerbungen schnell aussortiert und landen gleich im Müll, warnt der Coach. Das gilt etwa, wenn der Lebenslauf einfach nur auf Klopapier geschrieben ist oder in einem Pizzakarton liegt - ohne dass erkennbar wäre, was daran der Gag sein soll. Das müsse für Personaler schnell erkennbar sein. Denn ob eine Bewerbung ankommt oder nicht, entscheidet sich oft in wenigen Minuten. 40 Prozent der Personaler nehmen sich für den ersten Check der Unterlagen höchstens fünf Minuten Zeit, wie eine Umfrage im Auftrag der Beratungsfirma Kienbaum zeigt. 47 Prozent opfern sechs bis 15 Minuten. Immerhin jeder Sechste findet dabei ein kreatives Design der Bewerbung wichtig oder sehr wichtig.

Punkten Jobsuchende in der Kreativbranche eher mit einer Kreativbewerbung? Nicht unbedingt: Dort sind Chefs womöglich schon völlig übersättigt von Möchtegern-Geistesblitzen. Soll heißen: Ein Personaler in der Kreativwirtschaft könnte schnell allergisch reagieren, wenn er ein Bewerberfoto erst zusammenpuzzeln muss. Und aufdringlich dürfen Bewerber auch nicht wirken. Twitter-Stalker etwa nerven Personaler schnell. Platte Sprüche sind nie witzig, auch nicht in einer Bewerbung: Wer einen Silvesterkracher verschickt mit dem Spruch "Nehmen Sie mich, ich bin der Knaller!", wird höchstens ein müdes Lächeln ernten.

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Quelle:
SZ vom 15.07.2017
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