Süddeutsche Zeitung

Bewerbung: Anonymer Lebenslauf:Die Chance der Namenlosen

Nordrhein-Westfalen will in der Verwaltung den anonymisierten Lebenslauf einführen. Das eröffnet manchen Bewerbern eine Chance - Zuwanderern wird es nicht helfen.

Roland Preuß

Es gibt diese Chefs, die Stellenbewerber gleich aussortieren, weil sie eine dunkle Hautfarbe haben oder mit Nachnamen Günes oder Abramow heißen. Das ist auch für Deutschland gut belegt: Zuwanderer haben schlechtere Chancen im Wettbewerb um Jobs.

Der nordrhein-westfälische Arbeits- und Integrationsminister Guntram Schneider will das nun ändern und in der Verwaltung anonymisierte Bewerbungen einführen - ohne Bild, ohne Namen und andere Angaben, die einen Zuwanderer verraten könnten. Es wird ein spannendes Experiment werden.

Erfahrungen aus dem Ausland sprechen dafür, diesen Versuch zu wagen: Im schwedischen Göteborg etwa wurden nach Einführung anonymisierter Bewerbungen deutlich mehr Frauen und Migranten zum Vorstellungsgespräch eingeladen als zuvor. Die Vorauswahl fällt offenbar anders aus, wenn sich die Amtsleiter nur von sachlichen Gründen leiten lassen.

Doch hier fangen die Probleme auch schon an: Türkisch-Kenntnisse oder ein Schulabschluss aus Nowosibirsk können ein solcher sachlicher Grund sein, jemanden einzustellen oder auch nicht. Für Unternehmen sind diese Informationen notwendig. Doch so werden zugleich viele Bewerber als Zuwanderer erkannt. Wer einen Wust neuer Detailregeln verhindern will, wird hier klare und einfache Grenzen ziehen müssen.

Das wird fremdenfeindliche Vorgesetzte natürlich nicht von ihrer Linie abbringen. Spätestens im Bewerbungsgespräch entfällt die schützende Anonymität, das wird sich nicht vermeiden lassen. In Göteborg erwies sich dies als entscheidende Hürde: Dort stellte man zwar mehr Frauen ein, Zuwanderer scheiterten dagegen am Ende genauso oft wie früher.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2010
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