Süddeutsche Zeitung

Bayerisches Eliteprogramm:Studieren wie im Paradies

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Kleine Kurse, intensive Betreuung durch Professoren, Praktika und mehr: Wer zum erlauchten Kreis der "Elite-Studenten" gehört, kann sich über die Studienbedingungen nicht beklagen.

Von Christine Burtscheidt und Hans Kratzer

In der Rotunde der Pinakothek der Moderne drängt sich das akademische Volk, so dass Frau Shan Shan Chen unter all den Politikern, Magnifizenzen, Spektabilitäten und Professoren kaum in Erscheinung tritt. Doch dann fordert Wissenschaftsminister Thomas Goppel die junge Chinesin während seiner Rede plötzlich auf, nach vorne zu kommen. Leicht errötend folgt die zierliche Studentin dem Wunsche des Ministers, der sie freudestrahlend als Muster-Studierende des neuen Elitenetzwerks Bayern vorstellt: "Wenn wir schon so hervorragende Studenten haben, dann wollen wir sie auch sehen."

Frau Shan hatte sich mit Bachelor-Abschlüssen in Jura und Germanistik, einem Vordiplom in Soziologie und mehreren Hochbegabtenstipendien für den neuen Elitestudiengang "Neurokognitive Psychologie" beworben. Damit gehört sie zu jenem erlauchten Kreis, der dem Elitenetzwerk angehört. Das Projekt startete mit dem Wintersemester und wurde bei der gestrigen Auftaktveranstaltung offiziell vorgestellt. "Mit dem Elitenetzwerk Bayern beginnt eine neue Epoche der Eliteförderung", schwärmte Ministerpräsident Edmund Stoiber, der die zehn neuen Studiengänge und fünf Doktorandenkollegs schon deshalb über den Schellenkönig lobte, weil Bayern damit wieder einmal Vorreiter ist.

In der Tat gelang es dem Freistaat als erstem Bundesland, ein Konzept zur Eliteförderung umzusetzen, noch bevor der Bund die Debatte über Eliteuniversitäten beendete. Und er lässt sich das, allen Sparzwängen zum Trotz, einiges kosten. Für seine Ankündigung, dass der Etat des Wissenschaftsministeriums bis 2006 um 3,1 Prozent steigen werde und zur Eliteförderung zusätzlich 223 hochwertige Stellen geschaffen werden, wurde Stoiber mit Beifall bedacht.

Solch schwierige Zugeständnisse sind natürlich dem großen bildungspolitischen Druck geschuldet. Denn seit langem kehrt die Elite den deutschen Massen-Universitäten den Rücken und wandert ins Ausland ab, wo sie unter besseren Bedingungen arbeiten kann. Mit ihrem Elitenetzwerk will die Staatsregierung bisherige Initiativen wie die Begabtenförderung, die Eliteakademie oder die Stiftung Maximilianeum besser verzahnen. Vor allem die Hochbegabtenförderung an den Hochschulen soll auf einem breiteren Fundament stehen. Nur 0,04 Prozent aller Studenten werden beispielsweise seit 1999 in der Eliteakademie betreut.

Bewerber für die Elitestudiengänge und internationalen Graduiertenkollegs müssen ausgezeichnete Noten im Vordiplom oder Diplom vorweisen. Wer ausgewählt wird, darf sich dann, verglichen mit dem Massenbetrieb, auf paradiesische Studienbedingungen freuen: Die Kurse sind klein, die Betreuung durch die Professoren intensiv, es gibt Vorzeige-Praktika in der Wirtschaft, Auslandsaufenthalte sowie eine frühe Beteiligung an der Forschung. "Das ist eine Riesen-Chance für uns", sagen die Bayreuther Physik- und Biologiestudenten Thomas Körzdörfer, Manuel Hilbert und Sigrun Polier, die nun zusätzlich das Fach Macromolecular Science belegen. Zu den Auserwählten gehört auch der Münchner Informatik-Student Moritz Köhler, der an der TU begleitend Technology Management studiert. Allerdings dauern seine Uni-Tage jetzt oft von 8.30 bis 23 Uhr. "Begabung allein reicht da nicht. Ohne Fleiß ist das nicht zu schaffen."

Eine Kommission unter dem Vorsitz des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, wählte im Frühjahr die ersten zehn Studiengänge und fünf Kollegs unter 29 Anträgen aller elf bayerischen Universitäten aus. Das Ergebnis sorgte für Wirbel. Erfolg hatten vor allem die gut ausgestatteten Universitäten in München und Erlangen, die Kleinen aber, wie Bamberg und Passau, kamen mit ihren Vorschlägen nicht durch. Im Frühjahr 2005 folgt die nächste Runde - erneut zehn Studiengänge und fünf Kollegs.

Die Landtags-Opposition hält indes wenig von einer Eliteförderung in Sparzeiten. Auch Professoren fragen sich, wie das ehrgeizige Programm langfristig zu bestreiten sei. Allein heuer müssen sie zur Konsolidierung des Staatshaushalts 280 Stellen abgeben. Bei den Studenten wächst entsprechend der Ärger. Vor der Pinakothek protestierten gestern Hunderte mit Trillerpfeifen und Transparenten. "Uns wird immer gesagt, es sei kein Geld da", sagten die Lehramts-Studentinnen Kathrin Frieser und Kathrin Sabo. "Bei uns sind die Seminare überfüllt, es fehlen Professoren, Kurse fallen aus. Die Elite aber wird bevorzugt."

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SZ vom 23.11.2004
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