Süddeutsche Zeitung

Aufstieg im Unternehmen:Warum die Karriere manchmal einen Umweg braucht

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Einst waren Karrieren geradlinig, man arbeitete sich in einem Unternehmen immer weiter nach oben. Diese Zeiten sind vorbei. Heute führt der Umweg manchmal schneller ans Ziel.

Verena Wolff

Es war einmal ein Hochschulabsolvent, der nach dem Diplom bei einem Unternehmen anheuerte, sich hocharbeitete, nach 25 Jahren eine goldene Armbanduhr zum Jubiläum geschenkt bekam und nach weiteren zehn langsam ans Aufhören dachte. Aus einer gesicherten, wohldotierten Position an der Spitze desselben Unternehmens. Geschichten wie diese schreibt der Arbeitsmarkt heute aber nur noch selten. "Solche Karrieren gibt es kaum noch", sagt Personalexperte Stefan Fischhuber, Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Kienbaum Consultants in Düsseldorf.

"Die heute 40-Jährigen haben eine ganz andere Vergangenheit als noch vor einigen Jahren", sagt er. Das habe einerseits damit zu tun, dass die Unternehmen heute weniger hierarchisch und patriarchalisch organisiert seien. "Man ist viel offener, teamorientierter, schneller und internationaler aufgestellt", so Fischhuber. Andererseits habe auch die Wechselbereitschaft der Mitarbeiter stark zugenommen: "Inhalte und Projekte stehen im Vordergrund." Angestellte betrachteten die Aufgaben eher projektgetrieben, mit weniger Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber. "Wenn der Arbeitgeber aufstrebenden jungen Leuten nichts mehr bieten kann, schauen sie sich woanders um."

Eine aktuelle Studie des Business-Netzwerks LinkedIn kommt sogar zu dem Ergebnis, dass zwei Drittel (68 Prozent) der befragten 1400 Berufstätigen nicht wissen, wohin ihr Berufsweg sie führt. "Sehr viele Arbeitnehmer halten heute ihre Karriere für nicht mehr planbar", sagt Alexander Zipp, Marketing Manager bei LinkedIn in München. Hinzu komme, dass die meisten Laufbahnen nicht geradlinig verlaufen. "Menschen entwickeln sich ständig weiter, fachlich wie persönlich." Zudem beeinflussten viele unvorhersehbare Ereignisse die Karriere: "Jobangebote, Entlassungen oder die große Liebe: Es gibt eine Reihe von beruflichen Richtungsänderungen."

Unternehmensberater Fischhuber rät, ein Mal im Jahr für sich selbst Inventur zu machen: "Man sollte sich die Frage stellen, ob man an seinem Arbeitsplatz richtig gut ist, ausreichend Leidenschaft für den Job hat und die Rahmenbedingungen stimmen." Wenn dem nicht so ist, sollte man versuchen, in einem überschaubaren Zeitrahmen etwas zu verändern. "Wenn man Karriere machen will und sieht sich in einer Sackgasse, muss man gehen", sagt Fischhuber. "Sonst kann man sein Potential nicht abrufen."

Oft konzentrierten sich Arbeitnehmer zu stark auf ihre aktuelle Stelle, weil sie meinen, damit könnten sie nichts falsch machen. "Das Problem ist, dass man dabei den Weitblick verliert", sagt Zipp. Ein weiteres Problem: "Angestellte sind mehr als ihr Jobtitel - das vergessen sie oft." Wichtig sei, so Zipp, auch darauf zu achten, dass eine Karriere Spaß mache.

Dass tatsächlich zahlreiche Arbeitnehmer auf dem Sprung sind, zeigt auch eine aktuelle Umfrage unter Nutzern des Karriereportals Monster. Demnach sind 53 Prozent der Befragten neuen Karrierechancen nicht abgeneigt: 22 Prozent der Umfrageteilnehmer sind berufstätig und offen für an sie herangetragene Angebote, 31 Prozent halten sogar - trotz fester Stelle - aktiv nach anderen Angeboten Ausschau. Nur jeder Fünfte gibt an, berufstätig und nicht auf der Suche nach anderen Stellen zu sein.

Für Unternehmen heißt das, dass sie sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren müssen, um neue Kandidaten anzusprechen und vorhandene Talente zu halten. "Alle sprechen über den Fachkräftemangel, aber bei ihren Bemühungen um neue Talente sollten Unternehmen ihre bestehenden Mitarbeiter nicht vergessen", sagt Bernd Kraft, Personalexperte bei der Online-Jobbörse Monster.

Zwar gibt es noch immer sehr erfolgreiche Karrieren, die über Jahrzehnte hinweg in ein- und demselben Unternehmen ablaufen, sagt Unternehmensberater Fischhuber. "Da sind Mitarbeiter in gute Positionen vorgestoßen, weil sie sich Vertrauen erarbeitet haben und Mentoren im Unternehmen gefunden haben." Aber auch er sieht diese klassische Karriere eher als Relikt. Dazu kommt nach seinen Worten, dass durchgeplante Karrieren schon immer selten waren. "Nur ganz wenige Menschen wussten im Studium schon, was sie machen wollen und haben das auch umgesetzt." Dabei wäre ein solcher Fokus manch einem Berufsleben förderlich.

Immer wichtiger werden indes die weichen Faktoren wie gute Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität, gute Netzwerke. Die man nur schwer in einem Studium lernen kann. "Ohne Qualifikation geht es nicht - aber sie ist letztlich nur der Türöffner", sagt Alexander Zipps von LinkedIn. Aber: "Ein Technokrat kann nicht in eine Top-Position stoßen, wenn er Menschen nicht begeistern kann", betont Fischhuber. Führungskräfte müssten Vorbilder sein, "nur dann werden gute Leute loyal mitarbeiten, und man kann Ziele erreichen".

Und: Weil das Berufsleben von zahlreichen Zufällen bestimmt sei, müsse man "manchmal tatsächlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein", sagt Fischhuber. Allerdings sind die Zufälle im Berufsleben oft gar nicht so zufällig: "Sie ereilen schon meist die, die eine Extra-Portion an Ehrgeiz, Motivation und Energie zeigen."

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