Süddeutsche Zeitung

Organspende:Transplantationsskandal: Auch Köln und Jena betroffen

Lesezeit: 3 min

Von Christina Berndt

Uni-Kliniken Köln und Jena bestätigen die Vorwürfe

An zwei weiteren Universitätskliniken hat es Unregelmäßigkeiten bei Herz- und Lungentransplantationen gegeben. Das erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus dem Umfeld der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK), die für die Kontrolle der Transplantationszentren zuständig ist.

Betroffen sind das Universitätsklinikum Jena und das Universitätsklinikum Köln. In Jena wurden zwischen 2010 und 2012 bei 17 von 31 Herztransplantationen offenbar Patientendaten manipuliert; zudem haben Ärzte bei zehn von 28 Lungentransplantationen falsche Werte an die internationale Organverteilungsstelle Eurotransplant übermittelt, wohl um Patienten schneller mit einem Spenderorgan zu versorgen.

In Köln waren in demselben Zeitraum, in dem dort insgesamt etwa 15 Herztransplantationen stattfanden, bei sechs Patienten Daten manipuliert worden. Beide Kliniken bestätigten die Vorwürfe auf Anfrage. "Die von der Kommission festgestellten Auffälligkeiten sind leider inhaltlich im Einzelfall zutreffend", sagt der Medizinische Vorstand des Klinikums Jena, Jens Maschmann. Ein Sprecher des Universitätsklinikums Köln, sagte, dass "bei insgesamt sechs schwerstkranken Patienten kritische Abweichungen im Meldewesen gegenüber Eurotransplant festgestellt" worden seien und sprach in diesem Zusammenhang von "Manipulationen". Beide Kliniken haben inzwischen Anzeige bei den zuständigen Staatsanwaltschaften erstattet.

Mediziner hatten sich offenbar nicht bereichert

Auch wenn Ärzte offenkundig unlautere Mittel angewandt hätten, um ihre Patienten auf der Warteliste nach oben zu schieben: Alle Patienten seien "schwerstkrank" gewesen, betonte das Universitätsklinikum Köln. Zudem habe es seit Mitte 2011 keine Unregelmäßigkeiten mehr gegeben, und die mutmaßlich verantwortlichen Ärzte, die nicht mehr am Uniklinikum arbeiteten, hätten sich offenkundig nicht bereichert. In jedem Fall seien die Geschehnisse aber "absolut inakzeptabel", so das Klinikum. Deshalb seien auch Maßnahmen ergriffen worden, "um derartige Manipulationen für die Zukunft auszuschließen".

Auch das Universitätsklinikum Jena nannte die Vorgänge am Freitag "nicht akzeptabel". Vermutlich sei falsch verstandene Nächstenliebe ein Motiv der Ärzte gewesen: "Wir müssen davon ausgehen, dass ein Grund auch darin lag, den betreuten schwer erkrankten Patienten helfen zu wollen, ohne dass damit der festgestellte Sachverhalt gerechtfertigt werden kann." Es könne aber ausgeschlossen werden, dass es finanzielle Anreize gegeben habe: "Hierzu hat auch die Kommission keinerlei Hinweise gefunden."

Diskrepanzen zwischen Papierakten und elektronischen Patientendaten

In Jena wurden personelle Konsequenzen ergriffen: Der Leiter des Herztransplantationsprogramms, der im fraglichen Zeitraum verantwortlich war, sei "im Juli 2015 von seinen Aufgaben entbunden" worden, hieß es. Auch die PÜK erkenne an, dass das Klinikum Jena "inzwischen ,erhebliche Anstrengungen' unternommen habe, um die bisherigen Richtlinien-Verstöße aufzuklären und für die Zukunft zu vermeiden", betont ein Sprecher. Nach der internen Prüfung der Jahre 2013 bis 2015 gebe es keine Hinweise darauf, dass es nach 2012 noch zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei.

Den Prüfern waren bei ihrem ersten Besuch in Jena im März 2015 Diskrepanzen zwischen verschiedenen Patientenakten aufgefallen. Denn in der zuständigen Abteilung in Jena hatte es im Untersuchungszeitraum für manche Patienten sowohl eine Krankenakte in Papierform als auch eine elektronische Patientenakte gegeben. Der Papierakte zufolge waren manche Patienten nur auf relativ geringe Dosen an herzstärkenden Medikamenten angewiesen. Diese Dosierung hätte nicht ausgereicht, um von Eurotransplant einen "hochdringlichen Status" ("HU-Status") zu erlangen. Nur wer als HU-Patient gilt, hat angesichts des großen Mangels an Spenderorganen eine Chance auf ein Spenderherz. Die Medikamenten-Dosierungen, die sich für dieselben Patienten zur selben Zeit in der elektronischen Akte fanden, reichten jedoch für eine HU-Meldung. Da diese an Eurotransplant gemeldet wurde, galten diese Patienten fortan als hochdringliche Fälle, sie rutschten damit an anderen Kranken vorbei auf der Warteliste für ein Spenderherz nach oben.

Bei weiteren Patienten soll Eurotransplant zudem über die Dauer der Medikamentengabe getäuscht worden sein, mitunter seien auch höhere Dosierungen verabreicht oder gemeldet worden als die Patienten wirklich brauchten, heißt es im Bericht der PÜK. Das Ganze sei "systematisch" geschehen.

Immer mehr Verstöße kommen ans Tageslicht

Bei den Lungentransplantationen haben die Ärzte aus Jena gegenüber Eurotransplant angegeben, dass Patienten auf mehr Sauerstoff angewiesen waren, als dies in Wirklichkeit der Fall war. Zudem sind Blutgaswerte und Lungenfunktionswerte der Patienten offenbar nicht korrekt ermittelt worden. Auch dies habe wohl dazu führen sollen, dass eine Transplantation dringlicher erschien.

Die Manipulationen in Jena und Köln kamen jeweils erst durch Besuche der PÜK ans Tageslicht. Diese kontrolliert seit den Anfängen des bundesweiten Transplantationsskandals im Sommer 2012 alle deutschen Transplantationsprogramme. Die Prüfergebnisse zu den Herzzentren will die PÜK der Öffentlichkeit am kommenden Donnerstag während ihrer Jahrespressekonferenz in Berlin vorstellen.

Zunächst hatten die Prüfer bei fünf der 24 deutschen Lebertransplantationszentren Verstöße gegen die Richtlinien festgestellt: Göttingen, Regensburg, München rechts der Isar, Leipzig und Münster, wo ein Vorsatz der Staatsanwaltschaft zufolge allerdings "nicht nachweisbar" war. Mittlerweile sind nun auch gegen fünf der 24 Herztransplantationszentren Vorwürfe bekannt geworden: Neben Köln und Jena sind dies das Deutsche Herzzentrum Berlin, das Universitätsklinikum Heidelberg sowie das Münchner Klinikum Großhadern, das im Gegensatz zu den anderen vier Kliniken den Vorwurf der Manipulation allerdings bestreitet. Unregelmäßigkeiten in seinem Lungentransplantationsprogramm räumt Großhadern hingegen ein. Hier ist Jena das zweite Zentrum, von dem Manipulationen bekannt wurden.

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