Süddeutsche Zeitung

Organspende-Skandal:Verzweiflung und Verstöße

Die neuen Vorwürfe gegen die Uni-Klinik in Münster offenbaren einmal mehr ein Dilemma, in dem viele Ärzte stecken. Sie wollen das Beste für den Patienten und stoßen an Grenzen. So verzweifelt die Mediziner auch sein mögen, Manipulationen rechtfertigt dies nicht.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

Die Medizin ist, anders als Physik und Chemie, keine exakte Wissenschaft. Ein Arzt kann zwar in der Regel davon ausgehen, dass eine bestimmte Therapie die erwartete Wirkung zeigt. Sicher sein darf er sich aber nicht, denn längst nicht jede Therapie ist auch für jeden Patienten sicher. Auch wenn sie selten sind, Risiken gibt es überall.

Um die riskanten Nebenwirkungen so klein wie möglich zu halten, gibt es in vielen Bereichen der Medizin Richtlinien, die den Ärzten die Entscheidung erleichtern sollen, was in einer bestimmten Situation für den Patienten das Beste ist. Richtlinien gibt es auch im Bereich der Organvergabe. Sie beschreiben unter anderem, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, damit ein erkrankter Patient beispielsweise für das Einsetzen einer Spenderleber in Betracht gezogen werden kann.

Die Richtlinien müssen eingehalten werden, keine Frage. Und doch gibt es Fälle, in denen halten die Mediziner die Richtlinie für falsch oder zumindest für unvollständig. Sie erachten andere Methoden für aussichtsreicher und entscheiden sich deshalb gegen die herkömmliche Behandlung. So ist es anscheinend in Münster geschehen.

Das offenbart ein Dilemma, in dem viele Ärzte stecken, wenn sie in ihrem Bemühen um den Patienten an Grenzen stoßen. Manche verzweifeln daran. Es braucht ein gehöriges Maß an Demut, auch in solchen Fällen Auflagen zu akzeptieren. Notwendig ist es trotzdem.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2013
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