Süddeutsche Zeitung

Nikotin-Konsum:Angriff auf Raucher-Bastionen

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Global gesehen sinkt der Anteil der Raucher, doch in Europa wird weiter gequalmt. Besonders junge Europäerinnen bereiten Medizinern Sorgen.

Von Christoph Behrens

Es gibt in der Medizin selten Statistiken, bei denen afrikanische Staaten glänzen. Doch bei einer Sache könnten sich vor allem Europäer einiges bei den Afrikanern abschauen: beim Rauchen.

Nirgends qualmen so wenige Frauen wie in den afrikanischen Ländern Eritrea oder Kamerun. Weniger als jede hundertste Frau greift dort täglich zur Zigarette. Auch männliche Afrikaner - etwa in Nigeria, Äthiopien oder Ghana - rauchen im weltweiten Vergleich eher selten, wie Forscher der Universität Washington in einer neuen Studie schreiben. Bis ins Jahr 1980 zurück analysierten sie den weltweiten Tabakkonsum, und auf den ersten Blick sieht die Entwicklung sehr gut aus. Um ein Viertel ging der Anteil der rauchenden Männer an der Gesamtbevölkerung zurück, bei den Frauen sogar um mehr als 40 Prozent, schreiben die Wissenschaftler im Journal of the American Medical Association (online). In Kanada, Mexiko, Island und Norwegen halbierte sich der Anteil der Raucher an der Gesamtbevölkerung, in den USA ist die Quote stark rückläufig.

Dennoch hat die Tabakindustrie Grund zur Freude. Weil die Weltbevölkerung seit 1980 in absoluten Zahlen von rund 4,5 Milliarden auf sieben Milliarden wuchs, stieg auch die Zahl der Tabakkonsumenten von 721 Millionen auf 967 Millionen. Sechs Billionen Zigaretten zünden sie jährlich an, ein Plus von 26 Prozent.

"Mehr Raucher bedeutet, dass frühzeitige Todesfälle massiv zunehmen werden", warnt Alan Lopez von der Universität Melbourne. Die Forscher schätzen, dass bereits heute 5,7 Millionen Menschen jährlich an den Folgen des Rauchens sterben. Sorgen bereiten den Medizinern die Europäer, oder eher: die Europäerinnen. Mit Griechenland, Bulgarien, Österreich und Frankreich finden sich gleich vier EU-Staaten in den Top 5 der Länder mit den meisten rauchenden Frauen. In Litauen, Kroatien, Portugal oder Österreich paffen seit 30 Jahren sogar immer mehr statt weniger Menschen. Es gebe zu wenige politische Anstrengungen, das Rauchen einzudämmen, erklären die Wissenschaftler den Negativtrend.

Entwicklungs- und Schwellenländer hat die Tabakindustrie neu entdeckt: In China und Russland steigt die Zahl der Raucher, in Indonesien sind 57 Prozent der Männer nikotinabhängig. Doch der Trend sei umkehrbar, wenn auch sehr langsam, betonen die Forscher. Den Rückgang in den USA führen sie auf ein halbes Jahrhundert Aufklärung vor den Risiken zurück.

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SZ vom 08.01.2014
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