Süddeutsche Zeitung

Medizinermangel:Der Arzt, der warten muss

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Von Kim Björn Becker

Seine Flucht dauerte lang und sie war gefährlich, doch am Ende brachte Adil Ibrahim, 33, nicht nur sich selbst sicher nach Deutschland, sondern auch seine Zeugnisse. In seiner Heimat Syrien hatte Ibrahim (Name geändert) einen Abschluss in Medizin gemacht und sich danach zum Neurologen weiterbilden lassen.

Bevor er sich zur Flucht entschloss, arbeitete er in der neurologischen Abteilung einer Klinik in Homs. Doch obwohl Mediziner wie Ibrahim in Deutschland händeringend gesucht werden, wird es noch eine Weile dauern, bis er hier Patienten behandeln darf - die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist ein aufwendiges Verfahren.

Nach dem Willen der deutschen Ärzte sollen die Standards weiter hoch bleiben - gleichzeitig aber sollen Kollegen wie Ibrahim, die sich um eine Anerkennung bemühen, Hilfe bekommen. Auf dem Ärztetag in Freiburg rügten die Mediziner das Verfahren zur Anerkennung einer ärztlichen Prüfung, die in einem Nicht-EU-Staat wie Syrien abgelegt wurde. Dies erfolge vielfach "im Wesentlichen anhand vorgelegter Diplome und Zeugnisse beziehungsweise der Anrechnung von Berufserfahrung".

Im Ergebnis könnte sogar der "Schutz der Patienten nicht ausreichend" sein

Nach Aktenlage sei die Qualität der Ausbildung aber nicht immer "objektiv nachvollziehbar", im Ergebnis könnte sogar der "Schutz der Patienten nicht ausreichend" sein. Eine einheitliche Prüfung, die sich nach den Anforderungen der deutschen Staatsexamina richtet, soll Abhilfe schaffen. Solche Kenntnisprüfungen werden heute schon teilweise verlangt, in Zukunft sollen sie jedoch ausnahmslos abgelegt werden. Im Gegenzug sollen ausländische Ärzte mit Kursen auf die Prüfungen vorbereitet und dabei finanziell unterstützt werden - Bewerber tragen die Kosten für die Anerkennung selbst.

Es ist ein schmaler Grat, den die deutschen Ärzte damit beschreiten. Einerseits greifen Krankenhäuser und Arztpraxen heute schon oft auf ausländische Fachkräfte zurück - die Hürden bei der Anerkennung zu hoch zu setzen, liefe den Interessen des Gesundheitssystems zuwider. Andererseits müssen Patienten darauf vertrauen können, dass sie nur von gut ausgebildeten Ärzten behandelt werden; wäre der Staat bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu lax, könnten Patienten einem Risiko ausgesetzt werden. Vor allem im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise ist die Zahl der Antragsteller aus Drittstaaten stark angestiegen. Die Regierung von Oberbayern zählte im vergangenen Jahr knapp 2000 Anträge, das waren vier Mal so viele wie noch 2013.

Adil Ibrahim hat kürzlich eine Stelle in Berlin gefunden. Sobald er als Arzt zugelassen ist, kann er sie antreten. Dafür wählten die Behörden bereits das strenge Verfahren und wollten mehr sehen als nur Ibrahims Diplome: Er musste unter den Augen erfahrener Ärzte die richtige Diagnose bei einem Patienten stellen. Dass die Behörden streng sind, sei "gut so", sagt Ibrahim - auch wenn er noch länger warten muss.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2017
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