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Diabetes:Krank nach dem Trauma

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Eine Posttraumatische Belastungsstörung fördert die Entstehung von Diabetes: Frauen weisen ein fast doppelt so hohes Risiko auf, später zuckerkrank zu werden, wenn sie mit einer traumatischen Situation konfrontiert waren.

Von Werner Bartens

Wenn die Seele leidet, kommt der Körper nicht ungeschoren davon. Diese Erkenntnis wird ständig von neuen Forschungsergebnissen untermauert und so ist es kein Wunder, dass Wissenschaftler aus Harvard und von der Columbia University nun einen Zusammenhang von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) und Diabetes herstellen. Im Fachblatt Jama Psychiatry (online) belegen Ärzte und Epidemiologen um Andrea Roberts, dass Frauen eine fast doppelt so große Wahrscheinlichkeit aufweisen, später zuckerkrank zu werden, wenn sie mit einer folgenschweren psychischen Ausnahmesituation konfrontiert waren.

Die Forscher hatten fast 50 000 Frauen von 1989 bis zum Jahre 2011 im Rahmen der Nurses Health Study beobachtet. Unter jenen Frauen, die zu Beginn der Untersuchung das schwerste Ausmaß einer PTSD aufwiesen, entwickelten fast zwölf Prozent im Alter von 60 Jahren Typ-II-Diabetes. In der Vergleichsgruppe ohne schwere psychische Belastungen waren hingegen nur knapp sieben Prozent vom "Alterszucker" betroffen. "PTSD ist nicht nur verheerend für die psychische Gesundheit, es beeinträchtigt auch das physische Wohlergehen und kann das Risiko für Herzkreislaufleiden, Diabetes und Übergewicht erhöhen", sagt die Epidemiologin Karestan Koenen von der Columbia University.

Antidepressiva und Übergewicht sind für einen Teil der zusätzlichen Diabetes-Fälle verantwortlich, denn krankhafte Niedergeschlagenheit und Gewichtszunahme sind nach traumatisierenden Erlebnissen häufiger und erhöhen die Neigung zu entgleisten Blutzuckerspiegeln.

"Frauen mit PTSD aber auch ihre Ärzte sollten sich des erhöhten Diabetes-Risikos bewusst sein", sagt Roberts. Da längst nicht alle Patienten mit PTSD von Fachleuten behandelt würden, sollten betreuende Ärzte daran denken, dass ihren Patienten nicht nur psychische, sondern auch körperliche Gefahren drohen. Frauen sind stärker gefährdet als Männer. Eine von neun bekommt im Verlauf ihres Lebens eine PTSD - damit ist die Belastungsstörung doppelt so häufig wie bei Männern. Das Risiko von Frauen ist insgesamt höher, zudem drohen ihnen eher traumatisierende Erlebnisse, etwa eine Vergewaltigung.

Fördert Stress die Entstehung chronischer Entzündungen im Körper?

Es gibt mittlerweile zahlreiche Hinweise dafür, dass sozial und emotional belastende Situationen auf Dauer den Organismus angreifen und beispielsweise die Immunabwehr beeinträchtigen. In der Folge werden im Körper chronische Entzündungsvorgänge aktiviert. Von Kindern, die in jungen Jahren vernachlässigt oder traumatisiert wurden, ist bekannt, dass sie häufiger chronische Entzündungen entwickeln, auch wenn es ihnen als Erwachsenen schon seit Jahren wieder besser geht; das Abwehrsystem ist offenbar permanent auf Kampf eingestellt.

Wissenschaftler postulieren, dass etliche Krankheiten wie Gefäßverkalkung, Demenz, aber auch Diabetes aufgrund von solchen chronischen Entzündungsprozessen entstehen.

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Quelle:
SZ vom 08.01.2015
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