Süddeutsche Zeitung

Lebensmittel-Hygiene:Drei, zwei, eins, dreckig

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Jeder aufmerksame TV-Zuschauer kennt die "Fünf-Sekunden-Regel": Heruntergefallene Speisen, die innerhalb dieses Zeitraums vom Boden geklaubt werden, gelten als unbedenklich. Studenten haben den urbanen Mythos jetzt überprüft.

Von Christoph Behrens

Die Simpsons, How I Met Your Mother, Grey's Anatomy: Die Liste der Fernsehserien, die eine "Fünf-Sekunden-Regel" für heruntergefallenes Essen zitieren, ist lang. Die umgangssprachliche Regel besagt, dass man Essen, das weniger als fünf Sekunden auf dem Boden gelegen habe, noch unbedenklich verzehren könne.

Biologie-Absolventen der Universität Aston in Birmingham haben jetzt versucht, diesem urbanen Mythos auf die Spur zu kommen. Sie warfen Nudeln, klebrige Süßigkeiten und Kekse auf den Boden und zählten die Keime, die es auf das Essen schafften. Die Zeit auf dem Boden habe dabei durchaus eine Rolle gespielt, heißt es in einer Meldung der Uni.

Auf feuchte Speisen wie Nudeln und Süßes schafften es nach 30 Sekunden mehr Bakterien als nach drei Sekunden auf dem Boden. Bei trockenen Keksen spielte die Zeit für die Keimzahl eine geringere Rolle. Viel wichtiger als die Dauer war aber bei allen Speisen der Bodenbelag. Glatte Oberflächen wie Laminat oder Fliesen erleichterten den Bakterien das Übersiedeln; auf den Teppich gefallene Speisen waren mit weniger Keimen belastet. Denn Bakterien könnten auf Teppichen im Allgemeinen schlechter überleben, so die Experimentatoren.

Weit verbreiteter Irrglaube

"Die Fünf-Sekunden-Regel ist Quatsch", sagt hingegen Ernst Tabori, Ärztlicher Direktor am Deutschen Beratungszentrum für Hygiene in Freiburg. "Das ist eine Sache von Mikrosekunden, bis der Dreck drauf ist." Nur von der Anzahl der Bakterien auf Gefahr zu schließen, hält Tabori ebenfalls für unsinnig. Erstens sei der Körper "durchaus in der Lage, mit Keimen fertigzuwerden", sagt der Mediziner. Und Staubpartikel oder Tierhaare könnten Nahrungsmittel genauso verunreinigen oder bei Allergikern Abwehrreaktionen hervorrufen.

Tabori plädiert deshalb für ein gutes Maß Sauberkeit im Haushalt und gesunden Menschenverstand beim Verzehr von heruntergefallenen Nahrungsmitteln. "So ein dreckverschmiertes Brötchen ist ja auch nicht appetitlich. Bei einem Keks, der auf eine trockene Oberfläche fällt, hätte ich weniger Bedenken."

Mit Fragebögen überprüfte das Team der Aston University auch, wie viele Menschen überhaupt bereit sind, Sachen vom Boden zu essen. Von den knapp 500 Befragten gaben 90 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen an, das gelegentlich zu tun. Die meisten beriefen sich dabei auf die Fünf-Sekunden-Regel.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2014/chrb
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