Süddeutsche Zeitung

Keime am Arbeitsplatz:Das Büro lebt

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Büroangestellte sitzen auf Unmengen von Mikroben - und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Panisch aus dem Stuhl aufzuspringen, nützt indes wenig. Die Keime besiedeln noch weitere Stellen am Arbeitsplatz.

Katrin Blawat

Einzelbüros sind eine feine Sache. Niemand hört die Schimpftiraden, mit denen man auf den Computer losgeht, oder die halblaut gemurmelten Gedankenschnipsel. Und dem Arbeitsklima kann es auch guttun, wenn man ab und zu eine Tür zwischen sich und den Kollegen schließen kann. Nur: Allein ist man in seinem Zimmer dann immer noch nicht. Und wird es auch nie sein. Denn in jedem Büro leben Tausende Bakterien: Keime, die der menschliche Zimmerbewohner auf und in seinem Körper, auf Schuhen und Taschen mit an den Arbeitsplatz gebracht hat. Dies bestätigt eine aktuelle Untersuchung, deren Ergebnisse Forscher um Krissi Hewitt von der San Diego State University in der Fachzeitschrift PLoS One beschreiben (Bd. 7, S. e37849, 2012).

In insgesamt 90 Büros in New York, San Francisco und Tucson haben die Forscher jeweils die gleichen Oberflächen untersucht: Schreibtischstühle, Telefone, Computermäuse, Tastaturen und Tischplatten. Ihre Ergebnisse sind eindeutig: Wem unwohl bei dem Gedanken ist, sein Büro mit einer Horde Einzeller zu teilen, der sollte ab und zu im Stehen arbeiten und Telefonate besser meiden.

Die meisten Bakterien fanden die Forscher nämlich auf Telefonen sowie Stühlen. Zumindest in den untersuchten Zimmern waren Tastaturen hingegen weniger stark belastet - auch wenn sie optisch wie haptisch manchmal an jene klebrigen Streifen erinnern, an denen Fliegen haften bleiben sollen.

Computermaus und Schreibtisch sind Hewitts Studie zufolge ebenfalls weniger beliebt bei Keimen als etwa der Bürostuhl. Dieser bietet Bakterien auch deshalb einen guten Lebensraum, weil der menschliche Zimmernutzer die Polster auf eine Mikroben-freundliche Temperatur erwärmt.

Die Dichte der Keim-Besiedelung hing aber nicht nur von der untersuchten Oberfläche ab - sondern auch davon, ob das Zimmer von Mann oder Frau genutzt wurde. In Männerbüros lebten im Durchschnitt zwar die gleichen Bakterien wie in den Zimmern weiblicher Mitarbeitern. Insgesamt identifizierten die Forscher mehr als 500 verschiedene Bakteriengattungen. Unabhängig vom Geschlecht des Büro-Nutzers gehörten 90 Prozent der Keime zu einer von vier Gruppen: den Proteobacteria, den Firmicutes, den Actinobacteria und den Bacteroides. Auffällig aber war: In Männerbüros lebten deutlich mehr Mikroben.

Dafür präsentieren die Forscher zwei mögliche Erklärungen. Mehrere Studien hätten gezeigt, dass Männer weniger gründlich Hände waschen und Zähne putzen und ihr Naturell eher als schluderig empfunden werde, schreiben die Wissenschaftler. Vielleicht liegt es aber auch nicht an mangelnder Reinlichkeit, sondern schlicht an der im Durchschnitt höheren Körpergröße von Männern, dass in ihren Büros mehr Bakterien leben.

Die meisten der gefundenen Büro-Mikroben stammten nämlich vom Menschen. Studien anderer Arbeitsgruppen haben ergeben, dass jeder Mensch Billionen Mikroben beherbergt, die Hochrechnungen zufolge bis zu zwei Kilo des menschlichen Körpergewichts ausmachen können.

Die Keime sind zwar nicht überall gleich dicht auf dem Körper verteilt - in der Mundhöhle etwa leben vergleichsweise wenige, im Darm hingegen besonders viele. Doch kaum ein Hautstückchen ist gänzlich frei von den winzigen Mitbewohnern. Sie besiedeln Nasenschleimhäute, Kopfhaut und Fingerkuppen - und wo der Mensch sich aufhält, da hinterlässt er Spuren in Form von Mikroben. Je größer jemand ist, umso mehr Keime leben in und auf ihm, und umso mehr kann er im Büro sozusagen verlieren, argumentieren die Forscher.

Ihre Studie ließen sie sich unter anderem von Clorox, einem Hersteller von Reinigungsmitteln, finanzieren. Dennoch plädieren die Forscher nicht für umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen. Auch Friedemann Gebhardt, Leiter der Hygieneabteilung des Klinikums rechts der Isar der TU München sagt: "Im Büro und häuslichen Umfeld reicht normales Händewaschen aus. Alles, was über die gute Kinderstube hinausgeht, ist nicht notwendig."

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Quelle:
SZ vom 31.05.2012
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