Süddeutsche Zeitung

Gesundheitskampagnen:Promi-Faktor gegen Darmkrebs

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Maria Furtwängler wirbt für die Darmspiegelung, Michael Schumacher für die Organspende. Hilft es, wenn Berühmtheiten in Gesundheitskampagnen mitwirken? Oder nützten die Auftritte eher den Prominenten als dem Anliegen der Mediziner?

Christina Berndt

Es muss ein Höllenjob für die Doktoranden des australischen Professors gewesen sein: Seit 2005 schon schauen die Mitarbeiter des Gesundheitswissenschaftlers Simon Chapman sämtliche Sendungen aller fünf freien TV-Kanäle in Sydney, die etwas mit Gesundheit zu tun haben. Dann notieren sie, welche Persönlichkeiten dort im Dienste des Wohlergehens auftreten. So betrachten sie Schauspieler bei der Werbung für Darmkrebsfrüherkennung, wie dies hierzulande Maria Furtwängler tut; und womöglich sehen sie auch rasenden Autofahrern à la Michael Schumacher dabei zu, wie sie für die Organspende werben.

Chapman hat unter all dem, was er gesehen hat, offenbar weniger gelitten, als der unbedarfte Fernsehzuschauer anzunehmen bereit wäre. Jedenfalls hält der Professor von der Universität Sydney im aktuellen British Medical Journal ein flammendes Plädoyer für Promi-Auftritte in Gesundheitskampagnen. Niemand könne besser als bekannte Persönlichkeiten für vergessene Probleme oder wichtige Aktionen werben, schreibt er. Die Prominenten würden für die von ihnen präsentierten Themen ein Ausmaß an Aufmerksamkeit erreichen, von dem "eine Phalanx von zweifelsohne berechtigten Wissenschaftlern nur träumen könnte".

Gewiss, Promis hätten oft nur wenig Ahnung von dem, was sie da erzählten, räumt Chapman ein. Sie wüssten nichts von Evidenzen und von all der Forschung, die den Kampagnen vorausgegangen sei. "Aber sie sprechen häufig auf eine sehr persönliche Art und bringen eine unwiderstehliche Authentizität mit." Wichtige Botschaften, meint er, könnten sie deshalb hervorragend transportieren.

Genau das bezweifelt Geof Rayner. Der Promi-Status selbst sei viel zu kurzlebig, als dass von Berühmtheiten vermittelte Botschaften einen nachhaltigen Effekt haben könnten, schreibt der Soziologe von der City University London ebenfalls im British Medical Journal. Berühmtheiten könnten Kampagnen kurzzeitig ankurbeln - so wie Jamie Oliver eine vor sich hindümpelnde Aktion für besseres Essen an Schulen bekannt gemacht hat. "Aber die Gefahr ist groß, dass die Berühmtheit zur Story wird und nicht der Inhalt der Kampagne", gibt Rayner zu bedenken. Was die Initiatoren vermitteln wollten, komme bei den Zuschauern dann gar nicht mehr an.

Rayner hat noch etwas auszusetzen: Die heutige Celebrity-Kultur sei ein Nebenprodukt einer Gesellschaft, in der soziale Bindungen fehlten. "Wir wissen mehr über Promis als über unsere entfernteren Verwandten", kritisiert er. "Wir können kaum anders: Schließlich werden sie uns überall vor die Nase gesetzt." Sogar von jenen, denen es angeblich um unsere Gesundheit geht.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2012
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