Süddeutsche Zeitung

Lebensmittelhygiene:Kontrollen in Deutschland sind lückenhaft

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Von Kathrin Zinkant

Die Nichtregierungsorganisation foodwatch kritisiert den Personalmangel in den deutschen Behörden für Lebensmittelkontrollen. Die "Essensretter" haben am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Bericht präsentiert, welcher der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag. Der Verein kommt demnach zu dem Schluss, dass in den zuständigen Behörden der Länder ein Drittel der Kontrollen aufgrund der personellen Situation ausfällt. Das sind ungefähr eine Viertelmillion Überprüfungen.

Foodwatch hatte nach eigenen Angaben seit April bei 400 kommunalen Behörden Anfragen über die Zahl der 2018 durchzuführenden und im gleichen Jahr tatsächlich durchgeführten Kontrollen im gesamten Lebensmittelbereich gestellt. Außerdem wurde angefragt, wie viele Kontrolleure für diese Überprüfungen zur Verfügung standen. Foodwatch erstellte daraufhin ein farbliches Bewertungsschema, das die Zuverlässigkeit der jeweiligen Behörden sichtbar machen soll. Nur zehn Prozent der Kommunen erhielten von Foodwatch ein grünes Etikett. Dort werden mindestens 95 Prozent der vorgesehenen Kontrollen auch durchgeführt. Im Durchschnitt schaffen die Kommunen in Deutschland nur 50 bis 75 Prozent der vorgesehenen Checks.

Die Analyse von Foodwatch erscheint vor dem Hintergrund des Wilke-Wurstskandals bedeutsam, der deutsche Behörden und Konsumenten seit Oktober beschäftigt - und dessen Aufdeckung von Foodwatch betrieben worden war. Demnach haben Fleisch- und Wurstwaren des nordhessischen Herstellers Wilke Waldecker seit 2014 zu insgesamt 37 gemeldeten Fällen von lebensmittelbedingter Listeriose geführt, zwei Menschen starben nachweislich an der Infektion. Dem stehen laut Robert-Koch Institut allerdings 4079 Fälle von Listeriose gegenüber, die im gleichen Zeitraum anderen, nicht bekannten Quellen im Lebensmittelbereich zuzuordnen sind. Insgesamt werde dem Robert-Koch Institut gemäß Infektionsschutzgesetz jährlich rund 700 Fälle von Erkrankungen mit Listerien gemeldet. Die Meldezahlen nehmen seit 2001 zu. Laut Foodwatch liegen Zunahmen wie diese nicht zuletzt an dem im aktuellen Bericht festgestellten Personalmangel.

Trotz der veröffentlichten Daten wird eine Ursachensuche aber vermutlich komplexer sein. Zum einen, weil auch eine erhöhte Sensibilität für lebensmittelbedingte Infektionen zu den höheren Meldezahlen beitragen könnte. Außerdem führen auch der generell zunehmende Verarbeitungsgrad der Produkte, Fertiggerichte in Senioreneinrichtungen zum Beispiel, zu einer erhöhten Zahl von Kontaminationen, da die Zahl der Personen, die mit den Waren in Kontakt kommt, ebenfalls steigt.

Die Foodwatch-Zahlen zeigen zwar, dass es gemessen an den durchzuführenden Kontrollen meist zu wenige Kontrolleure gibt. Dieser Umstand wird von den Behörden selbst seit vielen Jahren beklagt. Allerdings sagt die Zahl der Kontrolleure laut der groben Statistik des Vereins nichts darüber aus, ob die Kontrollen grundsätzlich nicht mit dem verfügbaren Personal zu schaffen sind. So gibt es in der Auswertung zahlreiche Kommunen, die mit fünf Kontrolleuren mehr als 2000 Kontrollen jährlich erledigen, während besser besetzte Behörden die gleiche Zahl von Kontrollen nicht einmal zur Hälfte bewältigen. Über die Gründe für diese Diskrepanz gibt der Bericht jedoch keinen Aufschluss.

Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung will die personelle Lage den Kontrollbehörden künftig entschärfen, indem Kontrollen verstärkt in auffällig gewordenen Betrieben stattfinden sollen, während unauffällige Hersteller seltener überprüft werden. Auch dieser Plan war von Foodwatch bereits heftig kritisiert worden. Die Organisation fordert neben mehr Personal eine umfassende Strukturreform in der Lebensmittelkontrolle, in deren Mittelpunkt die Gründung zentraler Landesämter stehen soll.

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