Süddeutsche Zeitung

Flugmedizin:Ist ein Arzt an Bord?

Lesezeit: 2 min

Von Berit Uhlmann

Eingesperrt in dröhnender Enge, mit plötzlichen Turbulenzen und einem Luftdruck so niedrig wie auf einem 2500-Meter-Berg: Die Bedingungen im Flugzeug sind keine Wohltat für Körper und Psyche. So treten Schätzungen zufolge jeden Tag Hunderte Unpässlichkeiten in den Flugzeugen dieser Welt auf - von Angstattacken über stechende Ohrenschmerzen bis zu Blessuren, die von herabfallenden Koffern herrühren. Schwerer wiegende Zwischenfälle kommen auf mindestens jedem 600. Flug vor, haben Christian Martin-Gill und Thomas Doyle von der Universität Pittsburgh im Fachblatt Jama ausgerechnet. Die Flugmediziner hatten für ihre Studie mehr als 300 wissenschaftliche Artikel über Notfälle an Bord ausgewertet.

Besonders häufig sind demnach Ohnmachten dokumentiert. Dass Passagiere das Bewusstsein ganz oder nahezu verlieren, macht etwa ein Drittel aller ernsten Vorkommnisse in der Kabine aus. 15 Prozent der Zwischenfälle gehen auf Magen-Darm-Probleme zurück, gefolgt von Atem- und Herzbeschwerden.

Nicht immer es ist sinnvoll, den nächstbesten Flugplatz anzusteuern

Etwa jeder 25. Zwischenfall ist so gravierend, dass sich der Kapitän zu einer Zwischenlandung entschließt. Dies geschieht vor allem, wenn ein Fluggast einen Herzstillstand oder Schlaganfall erleidet oder bei einer Schwangeren die Wehen einsetzen. Die Entscheidung zur Kursänderung ist dabei nicht einfach, was nur zum Teil an den Kosten von bis zu 725 000 Dollar liegt. Nicht immer es ist sinnvoll, den nächstbesten Flugplatz anzusteuern. Denn egal wie nahe er liegt, es dauert ungefähr 30 Minuten, eine Maschine von ihrer maximalen Flughöhe auf den Boden zu bringen. Eine große Zeitersparnis wird somit zumindest auf Kurzstrecken gar nicht erreicht. Es ist zudem nicht garantiert, dass der Patient an dem eilig angeflogen Ziel auch die passende Hilfe erhält.

Zudem können Flugpassagiere erstaunlich oft mit medizinischer Kompetenz an Bord rechnen. In einer vorangegangen Studie hatten die beiden Mediziner festgestellt, dass die Frage: "Ist ein Arzt an Bord?" auf fast der Hälfte aller Flüge mit Ja beantwortet wurde. Bei einem weiteren Viertel der Notfälle waren Krankenschwestern oder andere medizinisch gebildete Passagiere in der Kabine. Auch wenn privat reisende Ärzte aus einigen Ländern - darunter USA, Kanada und Großbritannien - rechtlich gesehen nicht zum Eingreifen verpflichtet sind, tun sie es aus ethischen Motiven in der Regel dennoch, schreiben die Autoren.

Flugreisenden empfehlen sie dennoch vorzubeugen. Kreislaufprobleme werden durch Dehydration in der trocknen Kabinenluft begünstigt. Passagiere sollten daher ausreichend Flüssigkeit trinken. Wer seine Risiken kennt, sollte sich vor Langstreckenflügen beraten lassen und entsprechende Medikamente ins Handgepäck stecken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4262436
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.