Süddeutsche Zeitung

Ernährung:Die Leber bremst

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Wissenschaftler enträtseln, warum manche Menschen nach einer Praline problemlos aufhören können.

Von Kathrin Zinkant

In den vergangenen Wochen hat man sie wieder beobachten können: Menschen, die eine Grenze kennen. Die trotz der überwältigenden Flut an Süßigkeiten und vorweihnachtlichen Heißalkoholika aufhören können, nach einem Stückchen Schokolade oder einem Schluck Punsch. Sind diese Leute besonders diszipliniert? Oder einfach immun gegen die Reize von Zucker und Weingeist?

Womöglich reagiert ihr Gehirn bloß besonders gut auf die Signale der Leber. Zwei Studien in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts Cell legen jedenfalls nahe, dass das wichtigste Stoffwechselorgan nicht nur wegschafft, was ihm vorgesetzt wird. Es teilt seinen Belastungsgrad auch dem Gehirn mit und kann so die Vorliebe für Süßes und Alkoholisches regulieren.

Dafür produziert die Leber ein eigenes Hormon, das sogenannte FGF 21 (von Fibroblast Growth Factor 21). Das Hormon wird bei Stoffwechselstress ausgeschüttet, zum Beispiel nach einer kohlenhydratlastigen Mahlzeit.

Das Hormon greift sowohl ins Belohnungssystem des Gehirns als auch in das Gedächtnis ein

FGF21 gilt deshalb schon lange als eine Steuerstelle im Körper, um Fettleibigkeit zu bekämpfen. Ähnlich wirkende Substanzen werden in klinischen Studien bereits untersucht.

Aber was macht das Hormon, nachdem es von der Leber produziert worden ist? Wie die zwei Forscherteams aus Dänemark und den Vereinigten Staaten zunächst an Mäusen und später an Affen zeigten, können genetische Varianten des Hormons darüber bestimmen, welche Nährstoffe bevorzugt werden. Dieser Prozess läuft den Studien zufolge im Gehirn ab. Das Hormon wirkt hier zum einen auf das Belohnungssystem, außerdem erhöht es die Aktivität im Hippocampus. Dieser Teil des Gehirns ist unter anderem für Lernprozesse von Bedeutung.

Das Leberhormon könnte also auch langfristig Nahrungspräferenzen beeinflussen. Ist es also der Schlankheitstrick, nach dem so fieberhaft gesucht wird? Obwohl beide Teams in ihren Aufsätzen darauf anspielen, ist es unwahrscheinlich, dass ein einzelnes Leberhormon den einfachen Ausweg aus dem Speck-Dilemma weisen kann. Es sind zahlreiche Regelkreise im Körper bekannt, die ihrerseits Einfluss aufs Essen nehmen.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2015
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