Süddeutsche Zeitung

Bluttest zur Krebserkennung:Nur ein Hoffnungsschimmer

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Von Werner Bartens

Schön wäre es ja: Den Krebs endlich zu besiegen - und wenn das schon nicht möglich ist, wenigstens früher zu erkennen. Auf diese Weise könnte er rascher und erfolgreicher therapiert werden, so die Hoffnung von Ärzten wie Patienten. Gerade hat in Düsseldorf ein Fortbildungskongress der deutschen Frauenärzte begonnen. Im Mittelpunkt der Gynäkologen-Tagung steht - neben vielen anderen Themen - die Diagnose und Therapie von Tumoren der Brust und der Eierstöcke.

Die Doktoren hatten noch nicht alle eingecheckt und ihre Unterlagen abgeholt, da tönte ihnen schon die Neuigkeit entgegen: Eine "medizinische Sensation" sei Ärzten der Uniklinik Heidelberg gelungen. Endlich "ein echter Durchbruch" in der frühen Diagnose von Krebs. Nur ein kleiner Pieks, und schon sei es möglich, den bösartigen Tumor im Anfangsstadium ausfindig zu machen. Die Untersuchung des Blutes sei ähnlich zuverlässig wie eine Mammografie, also die Röntgenuntersuchung der Brust, so Christof Sohn von der Heidelberger Unifrauenklinik, der neben Sarah Schott an der Entwicklung des Verfahrens beteiligt war: "Wir weisen Botenstoffe nach, die aktive Krebszellen bei einer Krebserkrankung ins Blut aussenden", so der Arzt. Insgesamt 15 sogenannte Tumormarker würden sich mithilfe des Tests im Blut auffinden lassen.

Die Messung von Tumor- und Biomarkern wird immer populärer, doch gibt es viele Enttäuschungen in diesem Bereich. Die Eiweißstoffe und Erbgutschnipsel, die für derartige Tests im Blut gemessen werden, sind viel zu unspezifisch, um sicher einen Krebs zu erkennen oder auszuschließen. Vergangenes Jahr haben Forscher im Fachblatt Science diese auch als "Liquid Biopsy" (flüssige Gewebeprobe) bezeichnete Methode bereits vorgestellt. Damals beschrieben sie einen Test, mit dem acht Krebsarten im Blut aufgespürt werden sollen - darunter Brustkrebs mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 Prozent, also noch unterhalb der Ratewahrscheinlichkeit.

Die Ärzte aus Heidelberg geben für ihren Test 75 Prozent an; eine mäßige Quote für eine Untersuchung von dieser Bedeutung. "Das Verstörende an der Geschichte ist ja, dass es keine seriöse Publikation dazu gibt", sagt Ingrid Mühlhauser, Vorsorge-Expertin aus Hamburg. "Es ist überhaupt nicht möglich, etwas zu überprüfen." Bisher sind keine klinischen Studien bekannt oder registriert, die den Nutzen des Tests und etwaige Vorteile für Frauen beweisen, was auch Sohn in seinem Kongressbeitrag einräumt. Trotzdem, eine Ausgründung aus der Universität gibt es bereits, sie soll den Bluttest vermarkten.

Er wolle "früher Alarm schlagen", wird Sohn zitiert. Genau das ist schon jetzt ein Problem der Früherkennung. Durch ungenaue Tests steigt der Anteil fragwürdiger Diagnosen: Frauen bekommen das Etikett Krebs, auch wenn unklar ist, ob die entdeckten Veränderungen je bösartig entarten. "Die Ankündigung auf dem Boulevard ersetzt nicht die Begutachtung von Fachkollegen, bevor Tests oder Therapien zugelassen und erstattet werden", empört sich Mühlhauser. "Das geht gar nicht, das ist bisher nur Laborarbeit in einem frühen Stadium und kann so nicht an die Öffentlichkeit." Die Leute dächten jetzt fälschlicherweise, Krebs könne geheilt werden.

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SZ vom 22.02.2019
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