Süddeutsche Zeitung

Downsyndrom:Wochen, die entscheiden

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Von Kathrin Zinkant

Als vor sieben Jahren ein neuer Test auf den Markt kam, gingen die Debatten los. Das Verfahren konnte ein Downsyndrom bei Ungeborenen diagnostizieren, sehr früh in der Schwangerschaft - und alles was es dafür brauchte, war ein wenig Blut der Mutter. Keine Hohlnadeln, die Fruchtwasser abzapfen, kein Ultraschall, der verunsichert, rein medizinisch betrachtet erschien der Test als sinnvolle Sache. Zumal in einem Land, das toleriert, wenn sich Paare oder Frauen gegen ein Kind entscheiden.

Nun aber soll dieser Test nach Jahren heftiger Debatten auch noch von der Kasse bezahlt werden. Das Gremium, das in Deutschland über die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen entscheidet, ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), in dem Ärzte, Kliniken und Kassen vertreten sind. Er hat bereits vor zwei Wochen einen Beschlussentwurf zur Erstattung des Bluttests vorgelegt. Bundesärztekammer, Fachgesellschaften und Hebammenverbände sollen nun zu dem Papier des Ausschusses Stellung nehmen. Am Donnerstag wird es zudem eine Bundestagsdebatte dazu geben. Endgültig entscheiden jedoch muss im Spätsommer der G-BA selbst. Nach dem Vorschlag des Gremiums würde der Test zwar öfter Kassenleistung, dadurch allein würde sich aber noch recht wenig ändern - für manche wird das allerdings zu wenig sein.

Zum einen soll der Test wie alle anderen Maßnahmen zur Pränataldiagnostik des Downsyndroms ausschließlich Risikoschwangeren vorbehalten bleiben. Es gibt den Test demnach nicht als Routine. Zwar soll eine Risikoschwangerschaft laut G-BA-Papier "nach ärztlicher Beurteilung im Einzelfall" bestimmt werden. Die Mutterschaftsrichtlinie weist jedoch weiterhin genug Kriterien auf, um die Zahl der Fälle zu begrenzen. Und in vielen dieser Fälle würde der Test tatsächlich auch helfen, früher die Gewissheit zu erhalten, dass das Kind gesund ist. Und er würde für einige Frauen auch bedeuten, dass sie nicht Gefahr laufen, durch eine Fruchtwasseruntersuchung ein gesundes Kind zu verlieren.

Entscheidend für die Wirkmacht des Papiers jedoch wird etwas anderes sein, eine zeitliche Begrenzung, die von den Patientenvertretern des Ausschusses ins Papier hineingeschrieben wurde. Falls sie bleibt, wird der Test erst von der 12. Schwangerschaftswoche an bezahlt. Als Begründung nennen die Patientenvertreter die unzureichende Sicherheit des Tests vor diesem Zeitpunkt. Außerdem würden viele Schwangerschaften mit einem Down-Kind bis zur 12. Woche ohnehin von selbst enden. Und schließlich müssten die betreffenden Frauen nach einem Test in der 12. Woche auch nicht mehr so lange warten, bis sie absolute Gewissheit durch die Fruchtwasseruntersuchung hätten.

Es wird Streit darüber geben, ob das alles so stimmt - und ob es nicht andere Beweggründe für die zeitliche Grenze gibt. Der Test gilt eigentlich von der 9. Schwangerschaftswoche an als zuverlässig, und eine sogenannte Chorionzottenbiopsie, bei der aus der Plazenta eine Gewebeprobe genommen wird, kann als Alternative zur Fruchtwasseruntersuchung schon ab der 10. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. Das ist insofern entscheidend, als dass den Eltern damit die Chance auf eine Abtreibung nach der Fristenlösung bliebe - wenn sie ein behindertes Kind nicht wollen.

Eine frühe Diagnose verhindert Spätabtreibungen

Eine solche Abtreibung ist ambulant möglich. Und trotz der psychischen Belastung, die auch ein solcher Abbruch bedeuten kann, wird den Eltern etwas sehr Grausames dadurch erspart: die Spätabtreibung. Wer ein behindertes Kind abtreibt oder abtreiben muss, geht schon heute meist durch diese Hölle. Anstelle der ambulanten Verfahren durch Medikamente oder einer Absaugung muss nach der 14. Woche eine Geburt stattfinden. Das Kind stirbt dann während dieser Geburt, zumindest ist das bis ungefähr zur 20. Woche der Fall. Von der 20. Woche an muss das Kind im Mutterleib sogar noch aktiv getötet werden. Es gibt nicht wenige Frauen, die durch ein solches Erlebnis schwer traumatisiert werden. Und dabei bleibt es auch, selbst wenn die Kasse den Test künftig ab der 12. Woche bezahlt.

Ist das womöglich sogar Absicht, damit ein Abbruch für jene, die sich gegen ein behindertes Kind entscheiden, wenigstens nicht zu leicht wird? Mit der zeitlichen Begrenzung wird der Test die Schwangeren und Paare jedenfalls nur in sehr überschaubarem Umfang seelisch entlasten.

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Quelle:
SZ vom 10.04.2019
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