Süddeutsche Zeitung

Diäten:Ein Neujahrsritual, um das es nicht schade ist

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Corona hat den Menschen viel genommen. Eine Tradition, die es ausnahmsweise nicht zu bedauern gilt: der alljährliche Diätenwahn.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Zu den wenig augenfälligen Nebeneffekten der Corona-Pandemie gehört die Abwesenheit von sich sonst jährlich wiederholenden Ritualen. Um einige davon - das Weihnachtsfest mit der ganzen Familie zum Beispiel - ist es sehr schade gewesen. Aber nun sind die Feiertage vorbei und man darf sich nach einem Silvester ohne Böllerwahnsinn hoffentlich auf einen Januar freuen, in dem das notorische, mit Sicherheit aber überflüssigste Element der Nachweihnachtszeit möglichst mager ausfällt: die Diät. Besser noch: die Trend-Diät.

Der Trend-Diät ist zu eigen, dass sie Wissenschaftlichkeit für sich beansprucht. Ganz bescheiden, etwa in Form eines "Proteinhebels". wie es bei den modernen Atkinsformen wie Low-Carb der Fall ist. Oder doch schon etwas elaborierter, vielleicht was mit Chronophysiologie, so wäre man schon beim Intervallfasten gelandet und damit beim unangefochtenen Spitzenreiter des vergangenen Jahresanfangs. Schließlich muss man sich nicht viel merken, wenn man nur in festgelegten Zeiträumen essen darf, dafür dann aber so viel und was man will. Und gleichwohl versprach diese Diät auf magische Weise einen biologischen Mechanismus zu betätigen, der Fettpolster wahlweise in Flammen aufgehen oder schmelzen lässt.

Wissenschaftlich belegt ist nur, dass keine Diät auf Dauer hilft - im besten Fall

Nun ist das Versprechen bei Diäten stets die eine Sache, die Realität eine andere. Wissenschaftlich belegen ließ sich bislang jedenfalls nur, dass keine Diät auf Dauer hilft - im besten Fall. Bisweilen führt eine abnorm reduzierte oder zeitlich konzentrierte Nahrungsaufnahme über gefährliche Jo-Jo-Eeffekte sogar eher zu noch mehr Körpergewicht. Was weder erwünscht noch gesund ist.

Gar nicht traurig wäre deshalb, wenn angesichts drängenderer Probleme nun der neueste Trend der Körperwaagen-Fetischisten einfach mal unter den Esstisch fällt. "Sirtfood" heißt er, und so bekloppt wie der Name ist auch das angeblich wissenschaftliche Fundament dieser Diät. Es geht nämlich um sogenannte Sirtuine, die auch schon als Anti-Aging-Enzyme angepriesen wurden, und als Bestandteil von Lebensmitteln jetzt auch noch schlank machen, also Fett verbrennen sollen.

Doch selbst wenn ein biologisches oder synthetisches Molekül dergleichen überhaupt könnte: Es gibt einen bekannten Prozess, der solche zauberhaften Enzymeffekte wirksam unterbindet, und der heißt Verdauung. Dazu gehört, dass Proteine, zu denen auch die Enzyme zählen, denaturiert und aufgeschlossen werden, auf dass der menschliche Körper sie verwerten kann - und zwar für den Gewinn von Energie, nicht deren Vernichtung. Es kommt fürs Gewicht am Ende auf die Summe dieser Energie an, die sich in Kalorien bemessen und dauerhaft auf ein zuträgliches Maß reduzieren lässt. Womit man sich wieder drängenderen Probleme zuwenden könnte. Zum Beispiel der Pandemie.

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