Süddeutsche Zeitung

Urteil zur Professorenbesoldung:Weg mit den Karotten

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Frohe Botschaft für viele Professoren: Das Verfassungsgericht beschert ihnen eine Gehaltserhöhung besonderer Art - weil ihre Bezüge bislang nicht amtsangemessen hoch genug sind. Die Richter stoßen sich vor allem an den Leistungszulagen.

Wolfgang Janisch

Nur selten hat in den Berichten zum Karlsruher Prozess um die Professorenbesoldung der Hinweis gefehlt, die Verfassungsrichter entschieden irgendwie auch in eigener Sache, weil ja vier ordentliche Professoren an dem urteil mitwirkten. Profitieren werden sie selbst von ihrem Urteil aber nicht, das stellte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle - Professor in Freiburg - klar: Denn als sogenannte C-Professoren alten Zuschnitts waren sie von den Einbußen der nun gekippten W-Besoldung nicht betroffen.

Ohnehin hätten die Verfassungsrichter wahrscheinlich zu den Gewinnern der neuen Besoldungsordnung gehört. Denn mit der Reform von 2005, die den Wechsel von der Besoldung gemäß Dienstalter zu einem leistungsbezogenen System vorsah, sollte der Wettbewerb um die besten Köpfe eröffnet werden. Ein Ansatz, den der Zweite Senat nun sogar ausdrücklich guthieß: "Eine stärkere Berücksichtigung des Leistungsgedankens stellt einen zulässigen Aspekt der Besoldungsgesetzgebung dar", heißt es in dem Urteil, das ausdrücklich auf Leistungsstufen, Prämien und Zulagen verweist.

Trotzdem sah sich Karlsruhe zum Einschreiten veranlasst. Denn die Freiheit, sich mit hohen Gehältern renommierte Professoren an die Hochschulen zu holen, hatten sich die Reformer mit einer drastischen Absenkung des Grundgehalts um 25 Prozent erkauft; in der Anhörung im Oktober war von einer "Kannibalisierung nach unten" die Rede. Das W2-Grundgehalt variiert unter den Bundesländern zwischen etwa 4000 und 4600 Euro pro Monat. Zwar hat das Gericht formal nur über Hessen entschieden, wo derzeit etwa 4400 Euro gezahlt werden - doch das Verdikt, dies sei "evident unzureichend", wird bundesweit gelten. Das W1-Gehalt für Juniorprofessoren liegt bei durchschnittlich 3700 Euro.

Nicht unbedingt ein Hoffnungssignal

Bemerkenswert ist das deshalb, weil sich Karlsruhe beim beamtenrechtlichen "Alimentationsprinzip" eigentlich strenge Zurückhaltung verordnet hat. In seiner Geschichte hat das Gericht hier kaum jemals interveniert, und auch diesmal betonte es den weiten Spielraum des Gesetzgebers, seine Freiheit zum Systemwechsel, vor allem aber: den Umstand, dass aus dem Grundgesetz kein Mindestbetrag herauszulesen ist. Womit der Karlsruher Erfolg der Professoren nicht unbedingt ein Hoffnungssignal für weitere anhängige Verfahren zur Richter- und Beamtenbesoldung sein muss.

Michael Gerhardt, der als einziger gegen das Urteil gestimmt hatte, geht in seiner abweichenden Meinung sogar noch weiter: Die Professorenbesoldung komme aus einer stärker am Leistungsgedanken orientierten Tradition und dürfe deshalb nicht an den sonstigen Beamten gemessen werden. Den Senatskollegen hielt er eine "einseitige Gewichtung der besonderen Qualität und Verantwortung des Professorenamts" vor, mit der eine Abwertung anderer Beamter einhergehe.

Empörter Unterton

Dass der Senat gleichwohl die Verfassung verletzt sieht, mag also doch ein klein wenig mit Professorendünkel zu tun haben. Dass sich Professoren auf einem Gehaltsniveau mit Regierungs- oder Studienräten bewegen sollen - das hatten die Richter schon in der Verhandlung mit empörten Unterton quittiert. Vor allem aber stoßen sich die Richter am Zulagensystem, das den Professoren vor die Nase gehalten wird wie die Karotte dem Esel: Mal sind die Leistungsbezüge befristet, mal sind es Einmalzahlungen. Oder der Topf, aus dem sie entnommen werden, ist gerade leer, so dass bestraft wird, wer zu spät kommt - und nicht, wer weniger Leistung bringt.

Ob die bis 2013 notwendige Korrektur nun zu eine Anhebung der Grundgehälter oder - diese Alternative eröffnet das Urteil ebenfalls - zu verbindlichen und einklagbaren Ansprüche auf Zulagen führen wird: So oder so werden die Länder mehr Geld für ihre Professoren ausgeben müssen. Übrigens auch deshalb, weil der Senat in einem Nebensatz festgelegt hat, auch die Leistungsbezüge müssten sich "angemessen" im Ruhegehalt niederschlagen.

Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, wies in Karlsruhe darauf hin, dass man an den Kriterien, nach denen Zulagen vergeben werden, feilen müsse; im Urteil wird ein "wissenschaftsadäquater" Maßstab angemahnt. Die Unsitte, die Zulagen am Umfang der eingeworbenen Drittmittel, an der Zahl der Doktoranden oder an der Höhe des Publikationsstapels auszurichten, werde man durch eine differenzierte Bewertung wissenschaftlicher Leistungen ersetzen müssen.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2012
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