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Schule:Jeder achte Schüler ohne deutschen Pass schafft keinen Abschluss

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Tausende Zuwandererkinder müssen in den deutschen Schulen integriert werden. Für die vielen Neuankömmlinge insbesondere der vergangenen Jahre wurden Übergangsklassen gebildet, neue Lehrkräfte eingestellt - trotz aller Anstrengungen bleibt die Aufgabe schwierig. Das hat nun wieder eine Bildungsstudie nachgewiesen.

Mangelnde Chancengerechtigkeit für junge Ausländer ist laut "Chancenspiegel 2017" eines der Hauptprobleme im deutschen Schulsystem. Für die Studie hat die Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dortmund und der Friedrich-Schiller-Universität Jena schulstatistische Daten von 2002 bis 2014 analysiert. Für Jugendliche mit ausländischem Pass sei inzwischen das Risiko eines Abbruchs - ohne zumindest den Hauptschulabschluss zu erreichen - mehr als doppelt so hoch wie für ihre deutschen Mitschüler.

Während der Anteil aller Schüler ohne Abschluss seit 2011 von 6,2 auf 5,8 Prozent (2014) sank, stieg die Quote bei ausländischen Schülern im selben Zeitraum von 12,1 auf 12,9 Prozent an - betroffen ist in dieser Gruppe also etwa jeder Achte. Interessant ist der Ländervergleich: Während in Brandenburg etwa vier Prozent der ausländischen Schüler ohne Abschluss bleiben, sind es in Sachsen 27 Prozent. Vergleicht man die jetzige Situation mit der Lage vor 15 Jahren, zeigt sich eine Besserung: Der Anteil aller Schulabgänger ohne Abschluss lag 2002 bei 9,2 Prozent, bei jungen Ausländern waren es damals sogar 16,7 Prozent.

Fast 50 000 Jugendliche bleiben jährlich ohne Schulabschluss

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, verlangt einen gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Gemeinden zur besonderen Förderung von Problemschülern. Auf allen Ebenen müsse die Bildungspolitik dafür sorgen, dass die jährliche Zahl von knapp 50 000 Jugendlichen ohne Schulabschluss deutlich sinke, sagte der Chef des katholischen Sozialverbandes. "Wir können unter dem Aspekt der Chancengerechtigkeit und der demografischen Entwicklung unmöglich akzeptieren, dass wir ganze Gruppen von jungen Menschen einfach abhängen."

Insgesamt ist das deutsche Bildungswesen seit dem "Pisa-Schock" 2001 laut "Chancenspiegel" aber moderner, leistungsfähiger und auch gerechter geworden. Viele Bundesländer hätten ihre Schulsysteme durchlässiger gemacht und führten mehr junge Menschen zum Abitur - diese Quote stieg seit 2002 von gut 38 auf mehr als 52 Prozent. Kritiker sagen allerdings, das sei nur möglich, weil die Anforderungen gesenkt worden seien.

Sonderschüler sind laut Studie mittlerweile besser integriert als im vergangenen Jahrzehnt, immer mehr besuchten im Sinne der Inklusion eine reguläre Schule. Auch der Ausbau der von Bildungsforschern dringend empfohlenen Ganztagsschule ging voran: Während vor 15 Jahren nur eines von zehn Kindern ganztags zur Schule ging, sind es derzeit etwa vier von zehn, heißt es in der Studie. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch gewaltig. So schwankt der Anteil der Ganztagsschüler zwischen 80 Prozent in Sachsen und nur 15 Prozent in Bayern.

Ein weiteres Problem benannte Nils Berkemeyer von der Universität Jena: "Nicht hinzunehmen ist, dass beim Kompetenzerwerb in der neunten Klasse ein Unterschied von mehr als drei Lernjahren zwischen Sachsen und Bremen besteht." Das öffentliche Schulsystem müsse trotz des Bildungsföderalismus für vergleichbare Chancen sorgen und allen ein Mindestmaß an Fähigkeiten vermitteln.

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