Süddeutsche Zeitung

Rheinland-Pfalz:Fernlernen lernen

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Um ihre Schüler auf einen möglichen neuen Lockdown vorzubereiten, hat ein Gymnasium in Trier ein neues Fach geschaffen.

Von Paul Munzinger

Wie schnell es in diesem Jahr wieder vorbei sein kann mit dem Unterricht in der Schule, das haben sie am Friedrich-Spee-Gymnasium Trier schon erfahren müssen. In einer 8. Klasse wurde ein Junge positiv auf Corona getestet, die ganze Stufe musste für zwei Wochen in Quarantäne. Fernunterricht, wie im Frühjahr. Auch eine 5. Klasse wurde nach Hause geschickt, weil es dort noch eine Schwester des infizierten Achtklässlers gab. Ihr Test fiel negativ aus, die Klasse konnte bald zurück an die Schule. Nur das Mädchen selbst musste zur Sicherheit eine Woche zu Hause bleiben. Den Unterricht konnte sie von dort aus per Video live verfolgen, die Webcam hing am Kartenständer. "Da hat sich das olle Ding mal bezahlt gemacht", sagt Tina Laux, zweite stellvertretende Schulleiterin des FSG.

Den Wechsel vom Klassenzimmer ins Kinderzimmer werden in diesem Schuljahr wohl noch viele Schulen bewältigen müssen. Am FSG jedenfalls können sie sich jetzt schon bestätigt fühlen in ihrer Entscheidung, die Vorbereitung auf diesen Ernstfall fest im Stundenplan zu verankern. "Digitales Arbeiten" heißt das Fach, das sie erfunden und im September neu eingeführt haben. Die Schüler sagen "Digi". Normalerweise geht so etwas nicht so schnell, doch das FSG hat als achtjähriges Gymnasium mit Ganztagsunterricht außergewöhnliche Freiräume im Stundenplan, die je nach Bedarf gefüllt werden können. "Zeit ist unsere Stärke", sagt Laux.

Ob es einen Bedarf für "Digi" gibt, haben sie an der Schule schon vor Corona diskutiert, erzählt sie. Doch die Stimmung sei gespalten gewesen, die Skepsis bei Teilen des Kollegiums groß. Das änderte sich während des Lockdowns im Frühjahr, im Sommer beschloss die Schule die Gründung des neuen Fachs. Die Fünftklässler hatten gleich in der ersten Woche des neuen Schuljahrs vier Stunden Digi, im regulären Stundenplan der 5. und 6. Klassen belegt der Kurs dann eine Stunde pro Woche.

So selbstverständlich die Kinder ihr Smartphone bedienen, so schwer fällt es ihnen, mit einer Maus umzugehen

Die Themen sind die gleichen, die sonst unter dem Stichwort Medienkunde über alle Fächer verstreut werden, nur eben früher, komprimierter und gezielter auf möglichen Fernunterricht ausgerichtet. Bevor es darum geht, wie man sich als aufgeklärter Nutzer durchs Internet bewegt, wird es praktisch. Wie funktioniert die Lernplattform der Schule? Wie melde ich mich im Programm für die Videokonferenzen an? Wie bastele ich eine Power-Point-Präsentation, wie lade ich ein Bild hoch? Ein Computergrundkurs, in dem sie viel weniger voraussetzen können, als sie dachten, sagt Laux. So selbstverständlich die Kinder ihr Smartphone bedienten, so schwer sei es ihnen gefallen, die Maus zu steuern oder den Unterstrich auf der Computertastatur zu finden. Doch als dann zum ersten Mal Quarantäne nötig war, sagt Laux, habe sich gezeigt, dass sich der Aufwand lohnt.

Was sich noch gezeigt hat: dass die Skepsis mancher Kollegen keineswegs verschwunden ist. Die Fünftklässlerin, deren Bruder sich infiziert hatte, konnte zwar per Video von zu Hause aus an den Hauptfächern teilnehmen - aber nicht an allen Nebenfächern. Denn einige Lehrerinnen und Lehrer - Laux schätzt, dass es etwa ein Fünftel des Kollegiums ist - wollen im Unterricht nicht gefilmt werden. Die Schule zwingt sie nicht, es gebe da einen "rechtlichen Graubereich", sagt Laux. Sollte die Schule aber wieder komplett schließen müssen und den Unterricht in Videokonferenzen verlagern, betont sie, dürfe sich niemand verweigern.

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SZ vom 05.10.2020
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