Süddeutsche Zeitung

Profil:Hanan al-Hroub

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Palästinenserin, die an den Frieden glaubt, und beste Lehrerin der Welt.

Von Peter Münch

Im Triumphzug ist sie diese Woche in die Heimat zurückgekehrt. Von Dubai ging die Reise nach Jordanien, an der Allenby-Brücke hat sie den Jordan überquert, und auf der anderen Seite wartete schon der palästinensische Erziehungsminister auf Hanan al-Hroub. Ihren Namen kennt nun jedes Kind im Westjordanland, denn Hanan al-Hroub ist die beste Lehrerin der Welt - ausgezeichnet von der Londoner Varkey-Stiftung mit einer Million Dollar Preisgeld und einer goldenen Trophäe, die ihr der schnurrbärige Minister den Fotos zufolge am liebsten aus der Hand gerissen hätte. Doch auch durch so was lässt sich Hanan al-Hroub nicht beirren.

Gewiss, sie ist eine stille Heldin, eine Heldin des Alltags. Aber anders als die vielen selbsternannten Heroen, die in dieser Region den lauten Ton vorgeben und dabei die Konflikte anheizen, arbeitet die 43-jährige Mutter von fünf Kindern beharrlich an einer besseren Zukunft. "Nein zur Gewalt" lautet ihr Credo, das sie den Grundschülern in einer Schule bei Ramallah nahebringt. "Wir müssen unsere Kinder lehren, dass unsere einzige Waffe das Wissen ist", sagt sie - und beeindruckte damit die Varkey-Jury so nachdrücklich, dass diese ihr unter 8000 Bewerbern den nun zum zweiten Mal vergebenen "Weltlehrerpreis" verliehen haben.

Der Preis soll das Ansehen des Berufsstandes heben, und die Gala dazu wurde in Dubai nach Art der Oscar-Verleihung inszeniert. Im Publikum saßen Hollywood-Stars wie Salma Hayek und Matthew McConaughey, auch der britische ExPremier Tony Blair hatte es auf die Gästeliste geschafft. Grußworte kamen vom früheren US-Präsidenten Bill Clinton und von Prinz William. Auf der Bühne aufgereiht warteten derweil die aus aller Welt stammenden zehn Kandidaten der Endauswahl auf die Entscheidung, die dann vom Papst persönlich verkündet wurde. In einer Videoschaltung aus dem Vatikan enthüllte Franziskus den Namen der Gewinnerin. Es folgten Fanfaren, Jubel, und schließlich die leise, aber feste Stimme von Hanan al-Hroub: "Ich habe es geschafft, ich habe gewonnen, Palästina hat gewonnen."

Das war ein Tribut an die Heimat, in der die Menschen sich zum Public Viewing auf dem Arafat-Platz von Ramallah versammelt hatten, um das Finale von Dubai mitzuerleben. Zugleich war es aber auch ein Fingerzeig fürs eigene Volk und die Führung, dass selbst unter den drückenden Bedingungen der israelischen Besatzung wirkliche Siege nur auf dem Weg der Gewaltfreiheit zu erlangen sind.

Hanan al-Hroub ist selbst in einem Flüchtlingslager in Bethlehem groß geworden. "Ich wuchs auf in einer Umgebung voller Gewalt", sagt sie, "ich hatte nicht viel von meiner Kindheit." Ihr Schlüsselerlebnis war dann ein Schock: Ihr Ehemann und ihre Kinder gerieten in eine Schießerei. Ihr Mann wurde dabei von einer Kugel verletzt, die Kinder hatten mit einem Trauma zu kämpfen. Mit Spielen und Übungen hat sie mit ihnen zu Hause versucht, diesen Schrecken zu verarbeiten. Bald schon kamen Nachbarskinder dazu, und schließlich entwickelte sie aus den eigenen Erfahrungen einen pädagogischen Ansatz, den sie in einem Buch mit dem Titel "Wir spielen und lernen" aufgeschrieben hat. Spielend lernen die Kinder in ihrem Unterricht, mit Gewalterfahrungen umzugehen und friedliche Lösungen zu entwickeln.

Auch das Millionen-Preisgeld will Hroub nun in solche Erziehungsprogramme stecken. Als Botschafterin der Varkey-Stiftung, die eng mit der Unesco zusammenarbeitet, wird sie überdies im nächsten Jahr viel unterwegs sein in der Welt, um Vorträge zu halten. Doch ihre Schüler brauchen sich keine Sorgen zu machen: Sie wird ihnen erhalten bleiben. Denn zu den Bedingungen der Preisverleihung gehört es, dass die Gewinner weiter als Lehrer arbeiten. Hanan al-Hroub aber hätte auch gar nichts anderes im Sinn. "Denn Lehrer", so sagt sie, "können die Welt verändern."

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Quelle:
SZ vom 19.03.2016
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