Süddeutsche Zeitung

Hochschulrektoren:Vorsingen im Hinterzimmer

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Hinter verschlossenen Türen streiten die Chefs der deutschen Hochschulen, nun sollen sie einen neuen Präsidenten wählen. Braucht ihr Verband, in dem es um Milliarden Euro geht, mehr Offenheit?

Von Johann Osel

Mit dem berüchtigten "Vorsingen" kennt sich das Trio aus. Bevor ein Professor einen Ruf erhält, muss er eine Art Testvorlesung an der neuen Universität halten. Die drei Professoren Horst Hippler, Klaus Dicke und Walther Christoph Zimmerli dürften in ihrer Laufbahn öfters vorgesungen haben. Einer von ihnen wird nächste Woche neuer Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Der Verband von 270 Hochschulen tagt in Kaiserslautern, und die Rektoren entscheiden, wer ihnen für drei Jahre vorsteht. Die HRK sieht sich als "Stimme der Hochschulen" - über welche Themen und mit welchem Temperament diese Stimme sprechen soll, das müssen die Kandidaten bei einem Vorsingen klären.

Fast 270 Hochschulen vereint unter einem Dach? Das scheint heutzutage unmöglich zu sein

Allerdings: hinter verschlossenen Türen. So wie die HRK das generell handhabt. Das Wahlprozedere ist so ziemlich das einzig unstrittige. Mit weniger als 15 000 Studenten hat ein Rektor nur zwei bis drei Stimmen, Großstandorte erhalten bis zu neun. Ein offenes Rennen wird erwartet, aktuell zeichnet sich ein Duell Hippler gegen Dicke ab. Noch offener ist, wohin die HRK steuert: Kann man eine Einheit sein oder nur ein loses Bündnis? Und welchen Typ Oberrektor braucht es dazu?

Gäbe es eine Stellenausschreibung, sie müsste in etwa so lauten: Der HRK-Chef soll nach innen die Reihen schließen, an gemeinsamen Haltungen feilen; zum anderen soll er Lautsprecher nach außen sein, Lobbyist in der Politik. Dicke, so heißt es in HRK-Kreisen, kann integrierend wirken. Amtsinhaber Hippler ist das kaum gelungen. Er beherrscht eher die Kommunikation nach außen, auch mit Vorstößen, die nicht den HRK-Beschlüssen entsprachen. Die Debatten über manches streitbare Interview von ihm sind aber eine Lappalie im Vergleich zum Zwist im Kern der Konferenz: Der Verband ist schwer zu steuern. Er vereint Riesen- wie Zwerg-Unis mit Fachhochschulen sowie Berufs- und Kunstakademien. Die Stimme ist ein Chor.

Spätestens die milliardenschwere Exzellenzinitiative hat gezeigt, dass es verschiedene Klassen von Universitäten gibt. Und die Politik fordert die "Profilbildung" in der Hochschulszene, jeder solle machen, was er am besten könne. Überspitzt: Die einen machen "echte" Wissenschaft, die anderen kümmern sich um die lästige Lehre. Der Kampf um Status innerhalb der Universitätsszene übertrifft mittlerweile sogar die üblichen Reibereien zwischen Unis und Fachhochschulen. Unter dem Namen U 15 preisen sich 15 Unis als Avantgarde in Sachen Forschung, dabei sind HU und FU Berlin und die Münchner LMU. Auch neun große Technik-Unis haben einen separaten Verband. Beiden geht es um eigene Ansichten, um Politik - und um Geld.

Derzeit prüft die Politik ein Nachfolgemodell der Exzellenzinitiative nach 2017; eine HRK als Ganzes kann sich da kaum positionieren. Die Rede ist gar von "Anfängen einer Kannibalisierung". Der Blick geht nach England - zur "Russell-Group", einem Klub der Top-Unis. Sie sahnen das meiste Geld ab und lassen die offizielle Rektorenrunde im Königreich verblassen. Ein Uni-Chef aus Norddeutschland sagt: "Es wäre fast ehrlicher zu sagen, dass es die Stimme nicht mehr gibt; und dass man in der HRK eher repräsentiert, mit ein paar gemeinsamen Grundsätzen."

Intern läuft nun der Wahlkampf, noch ist die HRK offiziell vereint und ein Gigant der Wissenschaftslandschaft. Gebuhlt wird um die Stimmen der Kollegen wohl bis zum Finale am Wahltag - freilich ohne Öffentlichkeit. Daran entzündet sich Kritik. Die Wahl, der Wahlkampf, ja schon die Nominierung laufen im Verborgenen ab. So hat die HRK nicht mal das Tableau der Bewerber veröffentlicht. Recherchen unter anderem der Süddeutschen Zeitung hatten die Liste erstmals publik gemacht. Ist das passend für einen Verband, dessen Einrichtungen mehr als zwei Millionen Studenten versorgen und zusammen über Dutzende Milliarden Euro Etat verfügen?

Ein Dreikampf um die Präsidentschaft: Der Undiplomatische

"Ein Bachelor in Physik ist nie im Leben ein Physiker." Das ist ein Satz, mit dem Horst Hippler im Gedächtnis der Wissenschaftsszene bleiben wird - selbst wenn der amtierende HRK-Präsident das Ziel Wiederwahl verfehlen sollte. Der 68-Jährige gilt als Mann klarer Worte, und das gern auch undiplomatisch. HRK-Intern handelte sich Hippler (Foto: dpa) dadurch oft Ärger ein, Kollegen schrieben gar offene Briefe gegen seine Thesen; die Rektorenrunde brachte er mit Vorstößen aber prominent in die Medien. Seine Schlagkraft konnte er zudem in Debatten nutzen, die allen Rektoren am Herzen liegen, etwa zur Qualität von Doktorarbeiten. Vor seiner Wahl 2012 hatte der Physiochemiker, zuvor Chef am Karlsruher Institut für Technologie, angekündigt: Er wolle weg vom "Harmoniegetue" und die HRK-Positionen schärfen. Offenbar sieht er weiterhin Bedarf dafür.

Ein Dreikampf um die Präsidentschaft: Der Moderator

Um ein Haar wäre Klaus Dicke jüngst Ministerpräsident von Thüringen geworden, aus dem Stand. Als sich im Dezember Bodo Ramelow im Landtag als erster Linke-Regierungschef zur Wahl stellte, da ersann die CDU einen Plan: Sollte es zu einem dritten Wahlgang kommen, werde man Dicke, den früheren Rektor der Uni Jena, als überparteiliches Angebot aufbieten. Am Ende wurde Ramelow doch früher gewählt - doch der Politologe Dicke (Foto: dpa) hatte eine Bestätigung bekommen, dass er für höchste Ämter präsentabel ist. Vielleicht kam so der Impetus für den 61-Jährigen, sich für die HRK-Spitze zu bewerben. Den Dachverband kennt er bestens, nicht nur als einfaches Mitglied: Von 2006 bis 2012 war der gebürtige Koblenzer bereits Vize-Präsident in der Konferenz. Kollegen erlebten ihn als guten Moderator, als ausgleichend und besonnen.

Ein Dreikampf um die Präsidentschaft: Der Erfahrene

Ein großer Vorteil für ihn: Er kennt die private wie die staatliche Universitätswelt, auch wenn er mancherorts eher glücklos agierte. Der Philosoph Walther Christoph Zimmerli (Foto: dpa) leitete die Privat-Uni Witten/Herdecke, später die Auto-Uni des VW-Konzerns in Wolfsburg. Er verließ sie, als sich die großen Elite-Pläne für diese Bildungsstätte nicht umsetzen ließen. Danach wechselte der 69-Jährige an die Brandenburgische Technische Universität Cottbus (BTU). Dort konnte der gebürtige Schweizer das Problem staatlichen Einflusses auf Hochschulen erleben. Gegen eine Fusion der BTU mit einer Fachhochschule regte sich enormer Unmut. Fachliche Meriten hat er etwa bei Ethikfragen in der Technik erworben. Ihm werden bei der HRK-Wahl wenig Chancen attestiert. Auch, weil er laut Insidern kaum intern Wahlkampf betreibt.

"Rektoren, raus aus den Hinterzimmern!" schrieb kürzlich Lothar Zechlin, Ex-Rektor der Uni Duisburg-Essen, im Tagesspiegel. Die HRK erinnere "eher an einen Kaninchenzüchterverein als an eine Stimme der Hochschulen, die öffentliche Aufmerksamkeit beansprucht und ihre Finanzierung weitgehend auf staatliche Zuschüsse stützt". Zechlin fordert öffentliche Positionen der Bewerber. Gerade wegen der Zersplitterung wolle er "Debatten über die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Hochschultypen". Ein Rektor meint dazu: "Gern, aber das öffentliche Interesse wird da nicht allzu groß sein. Und wir müssten davor erst mal so weit kommen, dass wir bei uns die Konflikte offen aussprechen."

Bei der Wahl 2012 führte ein Versuch, die Händel zu vertuschen, zum Eklat. Die eingeladenen und angereisten Generalsekretäre befreundeter Organisationen, etwa des Wissenschaftsrates, wurden zur Wahl ganz plötzlich vor die Tür gesetzt.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2015
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